lerchenzunge | Fri Jul 12 15:04:06 CEST 2024 - Fri Jul 12 15:04:06 CEST 2024

die Argumentation ist schon reichlich schräg. Vielleicht lohnt es mal, ein wenig zu rechnen:

Die Masse der Anlage ist eher zu vernachlässigen. Wichtig zu beachten sind Wind- und Schneelasten! Dazu lohnt ein Blick in die Norm Eurocode 1: DIN EN 1991-1-4:2010-12: "Teil 1 bis 4: Allgemeine Einwirkungen; Windlasten" und die Richtlinie "DIN EN 1991-1-4/NA: 2010-12" sowie die Norm DIN EN 1991-1-3 für Schneelasten.

Nach DIN Norm werden Windlastzonen unterschieden, je nach Standort wird von 22,5 bis 30 m/s durchschnittlicher Windgeschwindigkeit ausgegangen. Das sind ca. 330 bis 580 N/qm (*). Bei einer typischen Größe eines Balkonkraftwerks von 3-4 qm also ungefähr die Einwirkung entsprechend einer Dauerbelastung mit 100-200kg
Aber diese Größe ist ziemlich belanglos, denn es reicht ja nicht, wenn die Anlage "durchschnittlich" nicht runterfällt, sie muss auch bei Böenbelastung, also im Maximum noch immer sicher sein. Wenn man beispielsweise Zone 2 (das ist das Gebiet nördlich der Mittelgebirge, also große Teile NRW, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Berlin), ein Gebäude in lockerer städtischer Bebauung (Gebäudekategorie III) und eine Höhe über dem Boden von 16m (also viertes, fünftes Stockwerk) annimmt, dann gibt die Norm eine Böenstärke von 123km/h als Auslegungsgröße an. Das sind dann 750N pro qm, also vergleichbar 200-300kg Last.
Bei der Schneelast wird zunächst auch nach Standort unterschieden in fünf Kategorien. Nehmen wir mal als Beispiel einen Standort wie zuvor, mit einer Schneelast der Kategorie 2, das sind dann 850N/qm. Allerdings ist ein Solarpanel meist geneigt, daher entspricht die wirksame Fläche nicht der Fäche der Module. Nehmen wir eine Neigung von 45° an, dann sagt die Mathematik erstmal, dass nur cos(45)=0,707 qm relevant sind und die Norm sagt, dass aufgrund Nachrutschen von Schnee bei hohen Lasten nur 0.5 qm relevant sind. Es sind dann also maximal 425 N/qm zu beachten.
Da im worst case ja maximale Wind- und Schneelast zusammenfallen können, muss also eine Standsicherheit bei Lasten bis ca. 1175N/qm sichergestellt werden bei, bei einer typischen Anlagegröße also rund 400kg Belastung.

Soweit also noch im Rahmen.

ABER:
1) das kommt hinzu zu den Lasten, die Sie aufzählen. Nur weil jemand ein Balkonkraftwerk aufstellt, wird er ja nicht die Nutzung des Balkons komplett aufgeben, keine Freunde zum Fussball-Schauen einladen (oder nur noch magersüchtige Models), kein Bier und keinen Grill mehr nutzen, wird die Ehefrau nicht auf Pflanzen verzichten.
2) die Kräfte, die die von Ihnen genannten Dinge einleiten, entsprechen hinsichtlich Richtung und Einleitungspunkt dem, wofür der Balkon mal berechnet und konstruiert wurde. Dicke Fussballfans, Bierkästen usw. wirken immer Richtung Erdmittelpunkt und befinden sich immer über die Fläche des Balkons einigermassen gleichmäßig verteilt. Es ist eher unüblich, dass dicke Fussballfans zum Beispiel am Balkongeländer hängen (hingegen sind Balkonkraftwerke oft an diesem befestigt) und es ist noch unüblicher, dass die Masse der dicken Fussballfans am Balkon nach oben oder zur Seite zerrt, wohingegen die Windlast sehr wohl jede Richtung einnehmen kann.
Vielleicht werden Balkone von Neubauten heute so ausgelegt, dass sie auch für Solarpanele geeignet sind, aber wie sollte zB. der Architekt einer Bestandsimmobilie aus den 70ern damals ahnen, dass ein halbes Jahrhundert später jemand dort Panele aufhängen will, wie sollte er damals die Balkone dafür auslegen?
3) Dekoartikel haben selten die Größe von 1-2qm wie ein Solarpanel. Sie sind auch leichter und wer von einem vom Wind vom Balkon gewehten Dekohasen getroffen wird, wird das meist überleben. Ein vom Balkon heruntersegelndes Solarpanel hingegen kann bei einem Treffer sehr leicht tödlich sein.
Markisen reißen bei zu großer Windlast eher, als dass sie selbst, oder gar sie inklusive Teile des Balkons herunterfallen.


Die Gefahr ist einfach zu groß, um sowas im öffentlichen Raum ungeprüft zuzulassen.


* zum Nachrechnen: Staudruck ist F=1/2 * A * rho *v^2 ; mit Luftdichte rho=1,29kg/m^3 gilt für 1qm Fläche und 30m/s Windgeschwindigkeit ; F = 1/2 * 1 * 1,29 * 30^2 = 580,5N

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stefanen | Mon Jun 24 19:37:52 CEST 2024 - Mon Jun 24 19:37:52 CEST 2024

Jep es gab gerade ein paar Schwerverletzte weil die Holzlatten am Balkon durch waren.

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