Text der Petition
Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass die Strafvorschrift über Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsvereinigungen ersatzlos gestrichen wird.
Begründung
Nach § 166 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. In der Praxis hat dieser Paragraph zu einer völligen Verkehrung des Täter-Opfer-Verhältnisses geführt, in deren Folge namhafte Künstler wie Kurt Tucholsky oder George Grosz gemaßregelt wurden. Dabei wurde der öffentliche Friede niemals durch kritische Kunst bedroht, sondern durch religiöse oder politische Fanatiker, die nicht in der Lage waren, die künstlerische Infragestellung ihrer Weltanschauung rational zu verarbeiten.
Während aufgeklärte Gläubige keine Probleme mit satirischer Kunst haben und somit einen besonderen Glaubensschutz gar nicht benötigen, berufen sich religiöse Fundamentalisten seit Jahrzehnten immer wieder auf § 166 StGB, um die Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit einzuschränken. Die hier zum Vorschein kommende Kritikunfähigkeit sollte vom Gesetzgeber nicht zusätzlich befördert werden. Borniertheit, Intoleranz und Humorlosigkeit sind keine Rechtsgüter, die unter Schutz gestellt werden sollten. Vielmehr sollte der Staat den Freiraum für kritische und vor allem satirische Kunst erweitern und Künstlerinnen und Künstler in ihrer wichtigen kulturellen Aufgabe bestärken, althergebrachte Sichtweisen gegen den Strich zu bürsten.
Mit der Streichung von § 166 StGB käme der deutsche Staat auch einer wichtigen Forderung des UN-Menschenrechtskomitees nach. Dieses erklärte nämlich 2011, dass „Verbote von Darstellungen mangelnden Respekts vor einer Religion oder anderen Glaubenssystemen, einschließlich Blasphemiegesetzen, mit dem Vertrag [gemeint ist der „Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte“, ICCPR] inkompatibel“ seien [Human Rights Committee: General comment No. 34, CCPR/C/GC/34, §48].
Nicht zuletzt wäre die überfällige Abschaffung des „mittelalterlichen Diktaturparagraphen“ (Kurt Tucholsky) auch eine angemessene rechtsstaatliche Reaktion auf die Einschüchterungsversuche militanter Islamisten („Karikaturenstreit“ von 2006, Attentat auf das französische Satiremagazin „Charlie Hebdo“ vom Januar 2015). Denn mit einer ersatzlosen Streichung von § 166 StGB würde der Gesetzgeber unmissverständlich klarstellen, dass der Freiheit der Kunst in einer modernen offenen Gesellschaft höheres Gewicht beizumessen ist als den „verletzten Gefühlen“ religiöser Fundamentalisten.
Ich möchte nicht in der Rolle des Richters sein, der darüber zu entscheiden hat, ob Abraham als verstorbener Mensch (hat er überhaupt gelebt?), als alttestamentarischer Prophet oder die Religion(en?) insgesamt beleidigt wurden - für das Strafmaß spielt es aber eine große Rolle. Aber erst, nachdem überhaupt geklärt ist, ob überhaupt eine Beleidigungsabsicht vorgesehen hat, oder ob man gar nicht wissen konnte, welche Empfindlichkeiten hier getroffen wurden (Verbotsirrtum, § 17 StGB).
Andererseits kann es auch nicht angehen, dass man über Religionen in einer Art und Weise vom Leder zieht, die sich lebende Personen oder Firmen nicht gefallen lassen müssten. Darf ich das Kreuz in einer verunglimpfenden Art und Weise weit über das hinaus benutzen, als es sich die Geschäftsleitung von Coca-Cola gefallen lassen müsste?
Wenn hier ein Paragraph aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden soll, entfacht das die Wirkung eines Freibriefs, um auf die Religionen einprügeln zu können. Wozu?
Wäre es nicht, anders herum, richtiger, das Strafrecht um eine Bestimmung zu erweitern, wonach das öffentliche Aussprechen "religiöser Strafen" mit Auswirkung auf das weltliche Leben unter unmittelbare Strafansdrohung gesetzt wird?
Damit wären die Bekenntnisse eindeutig gezwungen, ihr Verhältnis zum Rechtsstaat zu klären und man wäre auf der Linie, wie sie auch unsere Bundeskanzlerin neulich gezogen hat: Es darf kein religiöses Recht geben, das sich auch nur neben, geschweige denn über unser weltliches Recht stellt - Aufrufe zum Dschihad oder Aussprechen einer Fatwa sind mit unserer Rechtsauffassung inkompatibel und wer sich berufen fühlt derart zu urteilen, macht sich ebenso strafbar wie jemand, der meint, bei der Vollstreckung eines derartigen Urteils mitwirken zu müssen.
Aber wer, und sei es unter dem Deckmantel der Kunst, der Pressefreiheit oder der freien Meinungsäußerung, glaubt, über Befindlichkeiten seiner Mitmenschen herziehen zu dürfen, ohne dass sich das einer richterlichen Überprüfung unterziehen lassen müsste, muss sich irren. Und wenn dann die Verhandlung, im Einzelfall, auf einen Freispruch rausläuft, ist ja auch der Rechtsstaatlichkeit genüge getan.