Text der Petition
Der Deutsche Bundestag möge beschließen, das SGB VIII hinsichtlich der Kindertagespflege zu novellieren und den heutigen Bedürfnissen der Kindertagespflegepersonen, der Kinder und deren Familien anzupassen: Hierfür ist es erforderlich, Mindeststandards in Bezug auf Ausbildung, Bezahlung und Rahmenbedingungen festzulegen, die die Gleichstellung gegenüber den Kitas berücksichtigt. Wir fordern die Anerkennung als Beruf und eine leistungsgerechte Vergütung, die existenzsichernd ist.
Begründung
Die Kindertagespflege hat seit 2009 einen großen Wandel durchlaufen. In den vergangenen Jahren hat sie sich von einer nebenberuflichen Tätigkeit zu einer Tätigkeit entwickelt, mit der Kindertagespflegepersonen ihre Existenz sichern und ihren Lebensunterhalt bestreiten. Seit 2009 wird vom Bundesfamilienministerium erklärt, dass die Kindertagespflege eine wichtige Säule im Betreuungsausbau sei und man diese qualitativ und quantitativ voranbringen möchte.
Wir Kindertagespflegepersonen sehen unsere Tätigkeit als unseren Beruf an. Gerade die Aussicht, dass die Kindertagespflege sich noch weiter entwickelt und großes Potential enthält, hat viele bestärkt, diesen Beruf anzunehmen. Seit nunmehr sieben Jahren warten wir darauf, dass die Kindertagespflege bundesweit die Akzeptanz erfährt, die unsere Arbeit verdient. Das muss sich auch in der Vergütung widerspiegeln.
Das SGB VIII regelt die Rahmenbedingungen in der Kindertagespflege, § 23 Absatz 2a: "Der Betrag zur Anerkennung der Förderungsleistung der Tagespflegeperson ist leistungsgerecht auszugestalten." Genauere Maßstäbe werden nicht gegeben. Diese Gesetzgebung lässt den Bundesländern und Kommunen einen großen Spielraum. Das Wort "Anerkennung" birgt zudem die Mutmaßung, dass die Arbeit der Kindertagespflege durchaus einen gewissen Grad an Anerkennung verdient, aber nicht zwangsläufig existenzsichernd sein müsste. Wir fordern, dass die Tätigkeit als Kindertagespflegeperson existenzsichernd und leistungsgerecht vergütet werden muss. Erste Gerichte haben bereits bemängelt, dass dieser Punkt außer Acht gelassen wird. OVG NRW AZ 12 A 599/15: "Der leistungsgerechte Anerkennungsbetrag ist laut OVG nicht gleichzusetzen mit einer angemessenen Vergütung. Das laut Gesetzesbegründung angestrebte mittelfristige Ziel, ab einem bestimmten Umfang der Tätigkeit das Einkommen der Tagespflegeperson sicherzustellen, sieht das Gericht lediglich als eine politische Absichtserklärung, die im Gesetz selbst keinen Niederschlag gefunden habe." Wir fordern, dass diese Absicht in die Tat umgesetzt wird.
Die Kindertagespflege muss als eigenständiges Berufsbild anerkannt werden. Zugleich muss sichergestellt werden, dass man bundesweit ein Mindestmaß an Einkommen erzielen kann, dessen Höhe sich an dem Berufsbild des Erziehers orientiert. Sämtliche Faktoren der Selbstständigkeit müssen berücksichtigt werden. Unsere Arbeit beinhaltet mehr als die reine Betreuungszeit und auch diese mittelbare pädagogische Arbeit muss vergütet werden. Für die Kindertagespflege müssen ausreichend Anreize geschaffen werden, dieser Tätigkeit nachzugehen. Nur so kann diese Betreuungsform auch in Zukunft bestehen. Es muss Sorge dafür getragen werden, dass Eltern auch in Zukunft ihr Wunsch- und Wahlrecht in Anspruch nehmen können. Dazu muss ein breit gefächertes Angebot an Betreuungsangeboten geboten werden, das auch nachhaltig weiterentwickelt wird. Wir fordern, dass die Kindertagespflege und Kindertageseinrichtungen gleichgestellt sind.
"Das Einkommen aus der Kindertagespflege mit bis zu drei Kindern sollte nicht Grundlage des Familieneinkommens sein!" Quelle: Infoblatt Familien für Kinder, Berlin.
Wir sagen, auch mit kleinen Gruppen muss es möglich sein, existenzsichernde Einkünfte zu erzielen. Mit Stundenlöhnen, die sich oftmals noch unter 3 Euro die Stunde pro Kind bewegen, ist dieses nicht möglich. Von diesen Stundensätzen gehen dann noch die Kosten für die Tagespflegestelle runter:
Strom (Beleuchtung, Pflege und Reinigung, Warmwasseraufbereitung etc.)
Wasserversorgung
Abwasser
Heizungskosten
Straßenreinigung und Müllabfuhr
Abnutzung und Renovierung
Sach- und Haftpflichtversicherung
Raumreinigung und deren Pflege (Putz- und Desinfektionsmittel)
Seife, Handtücher/Waschlappen, Babywickel, Pflegeartikel, Bettwäsche,
Lätzchen/Schürzen, Geschirr/Besteck, Toilettenpapier
Mobiliar, Küchen- und Büroausstattung (Tisch, Stühle, Bett, Schränke, Kinderwagen, Wickeltisch, Hochstühle, Regale, Herd, Kühlschrank, Waschmaschine)
Telefon, Fax, Computer, Drucker
Spielzeug innerhalb und außerhalb der Kindertagespflegestelle
Spiel und Sportgeräte
Bücher
Auto und dessen Abschreibung (Versicherung, Kraftstoff, Reparaturen, Reinigung, Kindersitze)
Sicherung von Steckdosen, Treppen, Heizung, Feuerlöscher
Grundgebühren für Telefon,
Porto
Internet
Papier, Stifte, Hefter, Ordner, Druckerpatronen
Software
Werbung
Mitgliedsbeiträge
Teilnahmebeiträge bei Fortbildungen
Fachliteratur und Fachzeitschriften
Babynahrung
Obst und Gemüse
Frühstück
Mittagessen
Abendessen und Zwischenmahlzeiten
Getränke
Bewirtung bei Elterngesprächen
Abnutzung Möbel
Schönheitsreparaturen
Die Liste kann man sicherlich weiter fortführen. Zugleich müssen wir Rücklagen bilden können, um Leerläufe überbrücken zu können. Jeder selbstständige muss Rücklagen bilden. Nur uns Kindertagespflegepersonen ist das in der Regel nicht möglich. Hinzu kommen bei diesen Umsätzen noch, dass es kaum möglich ist, eine vernünftige Altersvorsorge zu betreiben. Somit droht vielen von uns eine massive Altersarmut.
Das SGB VIII muss Mindeststandards in der Vergütung und auch in der Qualität festlegen. Wir sagen ganz klar, dass wir unsere Arbeit verrichten, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen. Aussagen wie die obige dürfen nicht sein. Und dennoch sind sie der beste Beweis, dass unsere Einnahmen gegenwärtig nicht ansatzweise leistungsgerecht oder existenzsichernd sind.