Text der Petition
Wir begrüßen ausdrücklich, dass der Gesetzgeber die Dringlichkeit einer Änderung des Zugangs zum Beruf des Psychotherapeuten erkennt und diesen durch das Psychotherapeutenausbildungsreformgesetz (PsychThGAusbRefG) reformiert. Die aktuellen und zukünftigen Studierenden, sowie die derzeitigen Psychotherapeut*innen in Ausbildung (PiA) werden jedoch von den Verbesserungen der Reform ausgeschlossen. Wir fordern deshalb angemessene Übergangsregelungen für derzeitige Psychologiestudierende und PiA.
Begründung
Seit 1999 werden PiA trotz eines abgeschlossenen Bachelor-/Master- bzw. Diplomstudiums während ihrer postgradualen Ausbildung zum Psychotherapeut*in mit durchschnittlich 639 €/Monat bezahlt, obwohl sie behandlungsrelevante Leistungen erbringen und meist voll in der Patientenversorgung eingesetzt sind (Klein-Schmeink, 2017). Sie müssen ihre Ausbildungskosten (zw. 20.000-70.000 €) selbst tragen und besitzen keinen arbeits- und sozialrechtlichen Status (Morbitzer et al., 2005). Sie haben keinen Anspruch auf Bezahlung, Urlaub oder Mutterschutz (Strauß et al., 2009).
1) Wir fordern Übergangsregelungen, um die Ausbildungsmöglichkeiten der derzeitigen Studierenden zu sichern, indem ihnen ein Wechsel in das neue Ausbildungssystem ermöglicht wird.
Derzeitige Studierende profitieren von der Reform nicht im Geringsten, denn nach einer knappen Übergangsfrist haben sie keine Möglichkeit mehr, Psychotherapeut*in zu werden, außer das Studium im neuen System von vorne zu beginnen. Das PsychThGAusbRefG erkennt keine Härtefallregelungen an, sodass sie im Falle von Krankheit, Familienplanung, Pflege Angehöriger, berufliche Nebentätigkeiten oder einer Promotion Schwierigkeiten haben werden, ihr Studium und ihre Ausbildung fristgerecht abzuschließen. Studierende, die ihren Bachelor vor der Reform begonnen oder beendet haben, sollten deswegen in den neuen Psychotherapie-Masterstudiengang aufgenommen werden, wenn Nachqualifizierungen bis zur Approbationsprüfung erbracht wurden. Auch während des Masters müssen Quereinstiege in das neue System möglich sein. Hierfür muss ein Angebot an Möglichkeiten zur Nachqualifizierung entstehen, das für einen ausreichenden Zeitraum nach Inkrafttreten des Gesetzes besteht.
2) Wir fordern für die aktuellen PiA eine ihrer erbrachten Leistung, Kompetenz und Verantwortung entsprechende Bezahlung und arbeits- & sozialrechtlichen Status.
Im PsychThGAusbRefG fehlen jegliche Regelungen zur Beseitigung der jetzigen prekären Lage der PiA, die nicht im Geringsten vom Gesetzesentwurf profitieren. Es werden nun Parallelstrukturen und soziale Ungerechtigkeit zwischen angehenden Psychotherapeut*innen im alten und neuen System entstehen. Dieser Missstand wird durch die künftige Situation an psychiatrischen Kliniken deutlich, da angehende Psychotherapeut*innen im neuen und alten System nebeneinander vergleichbare Tätigkeiten verrichten werden, wobei angehende Psychotherapeut*innen des neuen Systems bereits angemessen vergütet werden und PiA des alten Systems weiterhin größtenteils unbezahlt und ohne sozialrechtliche Absicherung arbeiten. Stattdessen sollte der arbeits- und sozialrechtliche Status der PiA durch rechtliche Rahmenbedingungen festgelegt werden, der die erbrachten Leistungen und ihren berufsqualifizierenden Abschluss widerspiegeln. Angemessene arbeitsrechtliche Standards und eine Bezahlung, die sich anhand des Grundberufs (Master/ Diplom in Psychologie oder Pädagogik) bemisst, sollen in schriftlichen Arbeitsverträgen festgehalten werden.
Die Institute lassen sich für jede Leistung (Supervisionsstunde, Selbsterfahrungsstunde, Theoriestunde, Prüfung, Anmeldung, Raummiete, sogar für Kennenlern- bzw. "Auswahl"gespräche, etc.) gesondert bezahlen, behalten aber trotzdem mehrere zehntausend Euro ein.
Warum wird Geld für erbrachte Behandlungen einbehalten, wenn für die Supervision nochmal explizit der maximal zu erzielende Betrag gezahlt werden muss?
Selbst wenn die Kassensätze steigen und das Institut relativ dazu ausschüttet, steigt somit die Erhöhung nur um die Hälfte, während die Supervision und Selbsterfahrung dagegen um die volle Erhöhung steigen.
"Verwaltungskosten"? "Räume"?
Alleine für das von den Instituten einbehaltene Geld (von den Gesamtkosten der Ausbildung ganz zu schweigen) könnte man sich in vielen Regionen (außer vielleicht in Ballungszentren) eine eigene Praxis über die gesamte Dauer der Ausbildung anmieten.
Und was es da so teuer zu verwalten gibt, wenn man sich sogar die in der Regel unbezahlte Vollzeitstelle in der Psychiatrie selber suchen muss, und diese noch nicht einmal mit Beginn der Ausbildung garantiert bekommt, würde mich auch interessieren.
3 Kurse pro Halbjahr á mind. 18 Teilnehmer (obwohl das Gesetz max. 15 vorsieht) x über 50.000 Euro = Mind. 5.400.000 Einnahmen für das Institut (einschließlich Verwaltung, Dozenten, Supervisoren, etc.) pro Jahr, und das im Rahmen der häufigen "gemeinnützigen GmbH" auch noch steuerfrei.
Wie komme ich auf 50.000 Euro? 20.000 Euro direkt zu bezahlen, mind. 26.400 Euro für 600+ Behandlungsstunden indirekt abzugeben (meistens werden 800 Stunden draus, weil man die Einnahmen braucht).
Wenn die Verwaltungskosten nicht in den Theoriekosten enthalten sind, und deshalb Geld einbehalten werden muss, dann würde das wiederum bedeuten, dass Dozenten für einen (!) 16-Stunden-Kurs über 4600 Euro erhalten. Das stünde in keinem Verhältnis zur erbrachten Leistung.
Von Insolvenz kann hier also keine Rede sein. Mir ist kein Institut bekannt, das die Verwendung seiner Mittel offenlegen würde, auch auf Anfrage nicht. Man tut sich ja schon schwer, sämtliche Konditionen und Bedingungen im Voraus offen zu legen. Auch und gerade die vermeintlich gemeinnützigen nicht.
Und warum die universitären Institute sich von der Kostenstruktur her kein bisschen von den privaten unterscheiden, obwohl mit öffentlichem Geld aufgebaut, erschließt sich mir insbesondere nicht. Wohin geht das ganze Geld?
Dass es dann noch Institute gibt, die abermals über 12.000 Euro teurer sind als die typischen Institute, nur weil sie im Endeffekt nichts anderes tun als Ratenzahlung für Menschen zu gewähren, die die Gesamtkosten nicht vorstrecken können, und sich dadurch als besonders sozial darstellen, darüber will ich garnicht erst reden.
Dass dann noch vonseiten der Institute gegen Bewertungsplattformen geklagt wird, wo man Erfahrungen über Institute austauschen könnte, rundet das Bild entsprechend ab.
Gleichzeitig stellt man sich als Lobby der "PiA" dar. Aber selbst die größten Verbände (die freilich eigene Institute betreiben) rufen ihre Psychologen in Weiterbildung nicht gemeinsam zum Streik auf. Aber womöglich würde man dann auch mal auf die Institute schauen und nicht nur auf die Kliniken?
Würden die Verbände das heute tun, wären die Psychiatrien und Kliniken ab morgen nicht mehr aufrecht zu erhalten, und die Herren Vorstände müssten sich überlegen, ob die Arbeit der Psychologen in Weiterbildung vielleicht doch mehr wert ist als 100-300 Euro brutto im Monat, ohne Fahrtkostenerstattung, ohne Parkplatz, ohne Mittagessen, ohne Sozialversicherung, ohne Mietzuschuss. (Und am Ende wird die Leistung, z. B. Einzeltherapien und Gruppentherapien, die laut Gesetz gar nicht eigenständig erbracht werden dürften, auch noch abgerechnet?)
Die Chefärzte mit 250.000 Euro Jahresgehalt stellen sich als unmündig gegenüber den Klinikchefs dar, obwohl sie es sind, die die "PiA" für lau einstellen. Die Chefärzte könnten sich einfach weigern, auf ihrer Station voll ausgebildete Masterpsychologen mit privat (!) finanzierter Weiterbildungsabsicht einzustellen, solange diese nicht entsprechend bezahlt werden. Aber dann müssten sie ja eben jene Verantwortung wahrnehmen, für die zu tragen sie entsprechend vergütet werden.