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Diskussion zur Petition 98780

Kassenarztrecht

Keine zentrale Datenspeicherung sämtlicher Patientendaten/Anschluss von Arzt- und Psychotherapiepraxen an die Telematik-Infrastruktur (TI) nur auf freiwilliger Basis vom 02.09.2019

Diskussionszweig: Vor Schamesröte glühend und gebeugt würde ich mich als Verantwortlicher für die TI zurück ziehen und ganz still meine Hausaufgaben nachholen

Nutzer2930538 | 06.01.2020 - 19:08

Vor Schamesröte glühend und gebeugt würde ich mich als Verantwortlicher für die TI zurück ziehen und ganz still meine Hausaufgaben nachholen

Anzahl der Antworten: 7

Müsste ich mir als Befürworter/Architekt/Betreiber oder sonstwie Verantwortlicher der TI vor den Augen Tausender "organisierte Verantwortungslosigkeit" bescheinigen lassen, wie bei der Session mit dem Chaos Computer Club am 27. Dezember 2019 geschehen,
so würde ich vor allem ganz still und schnell die Nachbesserung anstreben, die allerdings teuer werden dürfte.

Die Eindrücke dieser Versuchsanordnung sind ja noch sehr frisch, dennoch wird schon wieder von absoluter Sicherheit und Verbitterung und mangelnder Informiertheit auf seiten der Zweifler und "Fortschrittsverweigerer" gesprochen.

Schaut man sich das Fiasko mit den Kartenausgaben an, also eGK, Praxisausweis, Heilberufsausweis, die ja den Zugang zu einem digitalen Hochsicherheitstrakt ermöglichen, dann sieht man, dass hier an einer Stelle gespart wurde, an der selbst der schlaueste Bauer nicht sparen würde, ginge es um die Sicherung seiner Ernte. Denn man möchte und sollte schon zweifelsfrei wissen, wer der wirkliche Inhaber des Schlüssels zum Speicher ist.

Und wenn man bedenkt, dass diese Schwächen in der Authentifizierung schon 2015 von einer sachverständigen Ärztin, zusammen mit Andre Zilch vom CCC, im Gesundheitsausschuss des Bundestages vorgetragen wurden, dann zeigt sich, dass
1. wider besseres Wissen angesichts der Bedeutung des Projektes TI auf allen Seiten eine ungeheure Fahrlässigkeit praktiziert wurde
2. man sich dann auch noch "dankbar" zeigt, dass der CCC diese Sicherheitslücken aufgedeckt hat, statt im Erdboden zu versinken und
3. die Ärzte eiskalt angelogen werden, wie sicher das alles sei, wohl wissend, dass die gesamte Haftung auf ihnen lastet, und das wiederum illegal am Art. 26 DSGVO vorbei.
So ist es nun zur Zeit so, dass nicht klar ist, wer aller eigentlich Inhaber dieser Karten, jedoch nicht berechtigt ist, Zugang zum Speicher des zukünftigen "Datenschatzes" zu bekommen. Das muss man sich wirklich einmal klar machen. Eine solide Datenschutzfolgenabschätzung seitens der Betreiber der TI würde wohl an diesem Punkt schon explodieren, würde sie seriös angegangen.

Dann haben wir das "Herzstück", den Konnektor, der von Geburt an an mehreren Herzklappenfehlern leidet, abgesehen davon, dass auch er leicht von Unbefugten beschafft werden konnte. So verfügt er über eine Prüftiefe von EAL 3+, niedriger als ein gewöhnlicher Stromableser. EAL ist das Evaluation Assurance Level, mit dem die Widerstandsfähigkeit z.B. eines Konnektors oder einer Firewall gegen Angriffe geprüft wird. In einem Aufsatz von Killmann und Schindler, beide BSI, "Über die Prüftiefe und die Aussagekraft von IT-Sicherheitsgutachten" heisst es auf S.207, die EAL 4 sei notwendig, "um auch den Widerstand gegen Angriffe mit hohem Angriffspotential bewerten zu können". Dies scheint in der TI mit Krankheitsdaten potentiell aller GKV-Versicherten nicht nötig gewesen zu sein. Offenbar geht man davon aus, dass sich nie jemand besonders gerade für diese Daten interessieren wird. In einem Artikel von Thomas Maus, Diplom-Informatiker, in der Zeitschrift c't, No. 26 aus 2019, heisst es dazu: "Knifflige Sicherheitsprobleme, die die Installation der TI in den Arztpraxen mit sich bringt, blendet das Schutzprofil (EAL3+) für den Netzkonnektor einfach aus. So tauchen dort weder mögliche Angriffe über den von außen zugänglichen Wartungskanal für die TI-Komponeneten auf, noch Angriffe aus der TI selbst oder aus den Bestandsnetzen der Krankenversicherer..." Killmann und Schindler schreiben in ihrem Aufsatz auf S. 206: "Was die Hacker betrifft, spielen Innentäter bzw. Täter mit Insiderkenntnissen einen herausragende Rolle". So klingt die Einstufung des Konnektors in seinem Schutzprofil, Seite 127, Abschnitt 7.6.2, bei der Gematik hin und wieder zu finden, beim BSI immer, wie ein Paukenschlag: "...muss nach dem Stand der Technik davon ausgegangen werden, dass Leistungserbringer eine Kompromittierung eines ihrer IT-Systeme im LAN nicht sicher verhindern bzw. nicht in jedem Fall frühzeitig erkennen können"!

Allein diese Gegebenheiten, die für eine Nicht-Informatikerin (wie mich) nur mit einem enormen Arbeitsaufwand zusammengetragen werden können, aber für IT-Profis, die an der TI tätig waren, wohl die Grundübung darstellen, sind ein ungeheurer Skandal. Ein noch größerer Skandal ist die Tatsache, trotz all dieser bekannten Dinge die Kassenärzte und -psycholog*innen mit "demokratischer" Staatsgewalt zum Anschluss an die TI zu zwingen.
Hier sind jeglicher Anstand verloren und Rechtsstaatlichkeit verlassen. Eine vertrauensvolle, transparente Zusammenarbeit, die jedoch in so einem Netzwerk zwischen den Verantwortlichen, also Leistungserbringern und Auftragnehmern, fortlaufend bis zur Aufgabe einer Praxis nötig ist, hat da einen sehr unfruchtbaren Boden.
Aber so lässt es sich auf seiten der Pro-Akteure vortrefflich wirtschaften und von Sicherheit plaudern, wenn nur die gesamte Haftung, und hier ist man wirklich sehr diskret und leise, beim "Leistungsträger", also den Ärt*innen und Psychotherapeuten bleibt.
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