Text der Petition
Mit der Petition wird die ersatzlose Streichung von § 166 StGB (Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen) gefordert.
Begründung
Nach deutschem Recht hätten die überlebenden Mitglieder der Redaktion des Satiremagazins „Charlie Hebdo“ verurteilt werden müssen, da ihre Zeichnungen Fundamentalisten dazu animierten, Terrorakte zu begehen, welche den „öffentlichen Frieden“ gefährdeten. Denn genau dies ist Inhalt von § 166 StGB: „Wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
§ 166 StGB führt zu einer inakzeptablen Umkehrung des Täter-Opfer-Prinzips: Denn selbstverständlich wird der öffentliche Friede nicht durch Künstlerinnen und Künstler gestört, die auf dem Boden des Grundgesetzes Religionen satirisch aufs Korn nehmen, sondern durch religiöse Fanatiker, die es nicht gelernt haben, auf Kritik in angemessener Weise zu reagieren. Daher sollte § 166 StGB zum 10. Jahrestag des Anschlags auf Charlie Hebdo am 7. Januar 2025 Geschichte sein – zumal dieser Paragraf den öffentlichen Frieden nicht schützt, sondern ihn vielmehr gefährdet: Von seinem Wortlaut her stachelt § 166 Fundamentalisten nämlich regelrecht dazu an, vom „Faustrecht“ Gebrauch zu machen und militant gegen satirische Kunst vorzugehen, da sie auf diese Weise belegen können, dass durch die vorgebliche Verletzung ihrer „religiösen Gefühle“ der öffentliche Friede gefährdet ist und die verhasste Kritik unterbleiben sollte.
Spätestens seit dem Terrorangriff der Hamas auf jüdische Männer, Frauen und Kinder im Oktober 2023 sollte der deutschen Politik bewusst sein, dass es an der Zeit ist, „klare Kante“ gegenüber religiösen Fanatikern zu zeigen und das Profil des demokratischen Rechtsstaates zu schärfen. Mit der Streichung von § 166 StGB käme der deutsche Staat auch einer Forderung des UN-Menschenrechtskomitees nach, welches 2011 erklärte, dass „Verbote von Darstellungen mangelnden Respekts vor einer Religion oder anderen Glaubenssystemen, einschließlich Blasphemiegesetzen, mit dem Vertrag [gemeint ist der „Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte“, ICCPR] inkompatibel“ seien [Human Rights Committee: General comment No. 34, CCPR/C/GC/34, §48].
Durch die Streichung von § 166 StGB würden der öffentlichen Hand keine Kosten entstehen. Darüber hinaus sind der Schutz vor strafwürdiger Beschimpfung sowie der Schutz des öffentlichen Friedens auch ohne § 166 StGB durch die Straftatbestände der Beleidigung (§ 185 StGB), der üblen Nachrede (§ 186 StGB), der Verleumdung (§ 187 StGB) und der Volksverhetzung (§ 130 StGB) gesichert. Die Vorstellung, religiöse oder weltanschauliche Bekenntnisse, Personen oder Gruppen benötigten einen über die §§ 130, 185, 186, 187 StGB hinausgehenden Schutz, ist weder begründbar noch zeitgemäß.
Fazit: § 166 StGB ist sowohl demokratiegefährdend als auch entbehrlich und sollte daher aufgehoben werden.
Im Sinne der aktuellen Petition kritisierten Buschmann und Lindner schon 2015 die Fehlkonstruktion des § 166 StGB: „Je häufiger und intensiver religiöse Fanatiker sich als vermeintliche Reaktion auf eine angebliche Beschimpfung ihres Bekenntnisses an fremden Rechtsgütern vergehen, desto größer wird die Gefahr, dass die angebliche Beschimpfung den Tatbestand des § 166 StGB erfüllt. Die Fanatiker begrenzen durch eigene Rechtsbrüche den legitimen Aktionsradius Andersdenkender, wenn man diesem Gedanken folgt. Faustrecht verdrängt dann Freiheit. Eine fatale Anreizwirkung!“
Buchmann und Lindner bezogen sich in ihrer Kritik des § 166 StGB auf zwei Personen, die unterschiedlicher kaum sein könnten, nämlich auf Michael Schmidt-Salomon, den Vorstandssprecher der religionskritischen Giordano-Bruno-Stiftung, der bereits 2015 auf die Absurdität hinwies, dass die Mitglieder der „Charlie Hebdo“-Redaktion nach § 166 StGB hätten verurteilt werden müssen, sowie auf Josef Ratzinger/Papst Benedikt XVI, der in der aktuellen Formulierung des § 166 StGB ebenfalls eine „Aufforderung zur gewaltsamen Drohung und damit zum Faustrecht“ gesehen hatte.
Mit Blick auf das Attentat auf „Charlie Hebdo“ zogen Buchmann und Lindner 2015 daraus eine wichtige rechtspolitische Schlussfolgerung: „Wer die Freiheit der Meinung, der Kunst und der Presse einschränken will, dem sollten wir mit mehr und nicht mit weniger Freiheit antworten. Wem diese Botschaft wichtig ist, dem steht ein deutliches Symbol zur Verfügung: die Abschaffung des Blasphemie-Paragrafen 166 StGB. Denn das wäre ein unmissverständliches Signal für mehr Freiheit der Meinung, der Kunst und der Presse.“
Es wäre zu hoffen, dass sich Justizminister Buschmann an diese weisen Worte aus dem Jahr 2015 erinnert. Denn das, was man als Oppositionspolitiker vernünftigerweise gefordert hat, sollte man auch umsetzen, wenn man Regierungsverantwortung übernommen hat.