Text der Petition
Wir fordern eine Gesetzesinitiative zur Sicherung der Selbstständigkeit von Lehrkräften und Soloselbstständigen im Bildungs- und Kulturbereich, die folgende Punkte umfasst:
1. Freiberuflichkeit erhalten
2. Einführung eines klaren Kriterienkatalogs für Selbstständigkeit
3. Recht auf Selbstbestimmung
4. Schnellprüfung für bereits sozialversicherte Selbstständige
5. Straffreie Übergangszeit und Schutz vor Rückforderungen
Begründung
Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) und deren Spitzenverbände nahmen das Herrenberg-Urteil, das eine Einzelfallentscheidung des BSG darstellt, zum Anlass, den Kriterienkatalog zu ändern und stufen nun immer häufiger freiberufliche Lehrtätigkeiten und künstlerische Dienstleistungen als scheinselbstständig ein, obwohl viele Lehrkräfte und Soloselbstständige bewusst die Freiberuflichkeit gewählt haben und diese aktiv in ihrer Arbeit umsetzen und leben. Wenn die DRV Scheinselbstständigkeit feststellt, zwingt das Bildungseinrichtungen und andere Auftraggeber zu enormen Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen – eine finanzielle Belastung, die keine dieser Einrichtungen tragen kann und welche zwangsläufig zu massiven Einschnitten, Schließungen und dem Verlust unverzichtbarer Kultur- und Bildungsangebote führen würde. Einschränkungen der Freiberuflichkeit bedrohen die Struktur und Vielfalt der Bildungs- und Kultureinrichtungen. Kürzungen im Bildungs- und Kulturangebot und höhere Kosten würden vor allem jene treffen, die auf bezahlbare Bildung und Kultur angewiesen sind (Endverbraucher). Das Herrenberg-Urteil und dessen Auslegung durch die DRV gefährden die Existenz zehntausender freiberuflicher Lehrkräfte und Soloselbstständiger und ein über Generationen gewachsenes Bildungs- und Kultursystem.
Ergänzung zum Wortlaut der Petition:
Freiberuflichkeit erhalten: Ein Gesetz, welches festlegt, dass Soloselbstständige, die freiberufliche Tätigkeiten im Auftrag Dritter ausführen, insbesondere im Bildungsbereich, weiterhin rechtssicher arbeiten können, um Flexibilität und Vielfalt zu schützen.
Einführung eines klaren Kriterienkatalogs für Selbstständigkeit: Ein bundesweit einheitlicher, rechtsverbindlicher Kriterienkatalog muss gesetzlich verankert werden. Dieser soll branchenspezifische Besonderheiten berücksichtigen und die tatsächliche Selbstständigkeit anerkennen.
Recht auf Selbstbestimmung: Viele Lehrkräfte und Soloselbstständige wählen bewusst die Freiberuflichkeit, um Lehre und weitere selbstständige Tätigkeiten flexibel zu verbinden. Diese Freiheit ist besonders für Dozenten, die nebenberuflich unterrichten, unverzichtbar.
Schnellprüfung für bereits sozialversicherte Selbstständige: Für Selbstständige, die z. B. über die Künstlersozialkasse (KSK) oder freiwillig und nachweislich in die Deutsche Rentenversicherung einzahlen, soll ein vereinfachtes und beschleunigtes Verfahren zur Statusprüfung eingeführt werden.
Straffreie Übergangszeit und Schutz vor Rückforderungen: In dem zu beschließenden Gesetz muss sichergestellt werden, dass Rückforderungen der DRV für zurückliegende Zeiträume ausgeschlossen sind. Eine Übergangszeit erlaubt es allen Beteiligten, sich auf neue Regelungen vorzubereiten.
Diese Sorge wäre nachvollziehbar, wenn das Misstrauen in die Auftraggeber berechtigt wäre, eine gesetzliche Veränderung als Aufschlag zu nutzen, den Anstellungsprozess abzubrechen. Anhaltspunkte dafür erkenne ich in meiner Eigenschaft als Justiziar des Deutschen Berufsverbandes für Tanzpädagogik und bis zum 9.11.204 des Deutschen Tonküntlervebandes nicht. Beide Verbände unterstützen den Weg ausdrücklich, denn es sollte selbstvertändlich sein, dass selbständige Lehrerverhältnisse nur dann möglich sein sollen, wenn diese von beiden Vertragsparteien wirlich gewollt sind und von einer Lehrkraft nicht als Nötigung empfunden werden, wie dies scheinbar im VdM-Bereich die Regel war.
Der Berufsverband für Tanzpädagogik e. V. unterstützt die Petition ausdrücklich, getragen insbesondere auch von den selbständigen Dozentinnen und Dozenten, die als Fachkräfte in ihren Disziplinen gefragt sind und eine Freiheit für die Berufsausübung benötigen, die sich mit einseitigen Weisungsrechten einer Auftraggeberin/eines Auftraggebers nicht vereinbaren lassen. Selbstverständlich werden diese Lehrkräfte so vergütet, dass diese auch in der Lage sind, die sozialversicherungsrechtlichen Pflichten zu erfüllen, in der Regel über die Pflichtversicherung nach den Regelungen des Künstlersozialversicherungsgesetzes.
Zu erwähnen ist, dass es eine Gesangspädagogin und Sängerin war, deren Petition in 2024 mit über 100.000 Stimmen dazu beitrug, die Novelle des § 4 Nr. 21 a) bb) UStG im Rahmen des Jahresteuergesetzes so zu verabschieden, die eine Umsatzsteuerfreiheit der selbständigen Lehrkräfte sicherstellt, die auch Bildungsleistungen im Auftrag Dritter ausdrücklich bestätigte. Mögliche Auftraggeber sind ausdrücklich sogar staatliche Einrichtungen.
Es ist ein unauflöslicher Wertungswiderspruch, auf unionsrechtlicher Grundlage die Steuerfreiheit der selbständigen Lehrkräfte im Auftrag von Bildungseinrichtungen vorzusehen, die Berufstätigkeit als solche jedoch sozialrechtlich auszuschließen.
Nutzt die noch vorhandene besondere Chance, der Petition doch noch zum Erfolg zu verhelfen, die von gesamtgesellschaftlichem Interesse ist. Dieses war ja auch die Ursache dafür, dass sie den Status einer öffentlichen Petition erhielt.
Skeptiker, welche die Petition ablehnen oder sogar die Argumente für widerlegt halten, bitte ich ausdrücklich, über den Tellerand der Musikschulsituation zu schauen:
Wer dies tut,
- verharmlost die Problematik durch die Auslegung des Herrenberg-Urteils durch die DRV (Beschluss der Spitzenorganisationen vom 4.5.2023),
- begnügt sich mit der ungeklärten Frage des „Ob und Wie“ auch an öffentlichen Einrichtungen selbständige Dozentenverhältnisse tätig sein können,
mit der lapidaren Behauptung, dass die Beschäftigungen natürlich auch noch selbständig sein könnten (vgl. § 4 Nr. 21 a) bb) UstG i. d. F. v. 1.1.2025,
der die Auftragstätigkeit von selbständigen Lehrkräften bei der Umsatzsteuer klarstellt!)
- verkennt, dass die positive Forderung des VdM an öffentlichen Einrichtungen mit abhängig Beschäftigen arbeiten zu wollen, in der Lebensrealität
nicht uneingeschränkt durch die seriöse Begründung abhängiger Beschäftigungsverhältnisse unterstrichen wird, sondern sich in Einzelfällen leider
ein kulturpolitischer Skandal entwickelt, sichtbar auch durch die Begründung prekärer Beschäftigungsverhältnisse (z. B. Leipzig!),
- verkennt, dass öffentliche Einrichtungen mit unverzüglichem „vermeintlichem Anstellungszwang“ im Einzelfall die Einrichtungen schließen müssten,
- verkennt die manchmal unternehmerische Entscheidung einer Lehrkraft, eine öffentlich oder privat geführte Musikschule, zu vergleichsweise
günstigen Konditionen, als Vermittler für die eigene künstlerische selbständige Tätigkeit zu begreifen,
- verkennt, dass die außerschulische kulturelle Bildungslandschaft insgesamt auf der Kippe steht, gerade in Zeiten, in denen die Ergebnisse der PISA-
Studie die eng denkenden Entscheidungsträger dazu bewegen, den für die Gesellschaft bedeutenden - m. E. entscheidenden- Bereich der
kulturellen Bildungen aus dem Schulalltag zu verdrängen,
- verkennt, dass das Urteil in seiner Handhabung durch die DRV nicht nur den Kulturstandort Deutschland gefährdet, sondern Deutschland insgesamt
als Standort für Gründer und Selbständige,
- verkennt, dass es vielleicht gerade der Deutsche Kulturrat und seine Mitgliedsverbände sein können, vor einem nicht mehr auszuschließenden Krieg
und auch einer unerwünschten Übernahme von Rechts, einen entscheiden Impuls im Sinne des Wachrüttelns der Gesellschaft liefern zu können, in
dem sie dazu beitragen, der DRV einen von Vernunft getragenen Umgang mit den Folgen des Herrenberg-Urteils zu ermöglichen, eben durch eine
gesetzliche Regelung.
Am 8.1.2025 fand im Kreis des VDGS eine Zoom-Veranstaltung statt, um den Stand der Verhandlungen der Gruppen im politischen Lösungsprozess unter Einschaltung des BAMS zu erfahren, der am 22. Januar 2025 mit dem zuständigen Staatssekretär im BAMS fortgesetzt werden soll. Die Gruppe Musikschulen wurde von einem Vertreter des BDfM und dem Petenten vertreten. Die Unterschiedlichen Lösungsansätze sind hinreichend bekannt. Unstreitig ist jedoch, dass von allen Gruppen eine gesetzliche Regelung für unabdingbar gehalten wird, die für Rechtssicherheit sorgt.
Die über das Land Berlin über den Bundesrat initiierte Gesetzesinitiative wurde am 22.11.2025 den Ausschüssen übergeben. Eine vollständige gesetzliche Lösung ist in dieser Legislaturperiode wegen der politischen Ereignisse mit Neuwahlen am 23.2.2025 unrealistisch geworden. Möglich ist noch eine Zwischenlösung (siehe Datei Formulierungshilfe), die auch als „Zwischenziel der Petition“ behandelt werden könnte. Der 25. Januar 2025 wird als letzter Termin dafür angesehen, die Zwischenlösung gesetzlich zu verankern.
Dem Unterzeichner ist die Folgerung der Gruppen deshalb besonders nachvollziehbar, denn in der persönlichen Erörterung der eingeleiteten freiwilligen Statusfeststellungsverfahren brachte der Leitungskreis der Clearingstelle am 20.06.2024 unmissverständlich -hier wiederholend - zum Ausdruck:
„Von den Regelungen der Verfahrensregeln vom 4.5.2024 weichen wir nur ab, wenn uns ein Gesetz, ein Urteil oder eine Verfügung dazu zwingt!“
Also Appell: Verhelft der Petition zu dem Erfolg, vergleichbar mit der Petition in sachen Umsatzsteuer (2012 ca. 100.000 Stimmen; über eine andere Plattform zuletzt 2024 über 100.000 Stimmen). Diese Petition wird von zwei anderen Initiatorinnen über einer andere Plattform unterstützt, mit schon über 50.000 Stimmen. chaut eusch an: BDYoga | Petition zur Sicherung der Selbstständigkeit, Petition · Rettet die Selbstständigkeit im Yoga, Sport, Fitness, Tanz und Musik! - Deutschland · Change.org.
Wer sich noch die Zeit zur Recherche nimmt, mögge erkennen, dass es die Musikwelt sein kann, quasi als „Retter der Solo-Selbständigkeit in Deutschland“ gefeiert werden zu können. Es dürfte lange dauern, bis sich eine solche Chance noch einmal eröffnet!