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Diskussionszweig: Qualitätssicherung auf dem Gebiet der Moderation

Christian Clemens Werth | 14.03.2012 - 07:40

Qualitätssicherung auf dem Gebiet der Moderation

Anzahl der Antworten: 104

Vorab:
Die Anregung bezieht sich im direkten Sinne auf die Frage nach der Qualitätssicherung der Moderation im öffentlichen Forum des Petitionsausschusses und im indirekten Sinne auf die Frage nach der Qualitätssicherung durch die Moderation des öffentlichen Forums des Petitionsausschusses.

Es wurde in einigen Diskussionssträngen über die Rolle der Moderation des öffentlichen Forums des Petitionsausschusses in Hinblick auf die einen Diskussionsverlauf potentiell auch inhaltlich beeinflussenden Maßnahmen wie z.B. die -unter Ziffer 9.1 der Richtlinie für die Behandlung von öffentlichen Petitionen (öP) gem. Ziff 7.1 (4) der Verfahrensgrundsätze vorgesehene- Löschung von Beiträgen die "in keinem sachlichen Zusammenhang mit der Petition stehen" diskutiert.

Unter dem Hinweis auf die rein definitionsbezogene Verwendung des Wortes (um reaktanten Reaktionen vorzubeugen) handelt es sich bei einer Löschung von Beiträgen durch die Moderation des Forums primär um eine Form der Nachzensur.

Je nach zeitlicher Nähe zur Veröffentlichung des Beitrages nimmt eine Löschung, da der Beitrag auch für den Verfasser unwiderbringlich verloren geht und somit eine Nachweisbarkeit in bezug auf den Beitragsinhalt verloren geht, und da der Beitrag vor seiner Entfernung dann für nur noch eine stark begrenzte Anzahl an Besuchern lesbar ist, faktisch die Qualität einer Vorzensur an.

Wie zu erwarten ist, und sich hier im Forum auch umfangreich zeigt, besteht in bezug auf die Auslegung über die Rechtmäßigkeit dieser Zensur im Einzelfall häufig Uneinigkeit.

Ziffer 9.3 der Richtlinie für die Behandlung von öP sieht darüber hinaus in bestimmten Fällen sogar die vorzeitige Schliessung eines Diskussionsforums durch die Moderation vor.

Unabhängig von den hier im Forum bisher mitunter stark differenten Meinungen zu diesem Thema und unabhängig von der individuell variierenden Akzeptanz zur Notwendigkeit stellen also diese in den Richtlinien vorgesehenen Akte durch die Moderation rein faktisch den Vorgang einer Zensur dar.

Es lässt sich durchaus auch die Ansicht vertreten, dass die augenblickliche Anwendung der Ziffern 9.1 und 9.3 der Richtlinie für die Behandlung von öP oder die Formulierung derselben teilweise im Widerspruch zu dem von der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" in dem Papier "Anforderungen an die Gestaltung digitaler politischer Partizipation" formulierten Prinzipien steht:
"Eine Nutzung des kollaborativen und partizipativen Potentials der digital vernetzten Gesellschaft bedarf der aktiven Gestaltung alter und neuer Zugänge zu den politischen Institutionen. Zum anderen muss der Staat die demokratische Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an dem politischen Diskurs sicherstellen. Deshalb darf die Meinungsfreiheit keiner politischen Kontrolle oder gar Zensur unterliegen. Sie findet ihre Beschränkung lediglich in den Grenzen des Art 5 Abs. 2 GG." (Anm.: Die Unterstreichung von Teilen des Zitates ist kein Bestandteil des Originals.)

Die Notwendigkeit zur Moderation an sich ist jedoch wahrscheinlich für die Majorität unumstritten.

Die von der US-amerikanischen Regierung finanzierte Organisation "Freedom House" kommt im März 2009 in ihrer 15 Länder umfassenden Studie "Freedom on the Net - A Global Assessment of Internet and Digital Media" zu dem Ergebnis, dass in allen untersuchten Ländern Internetinhalte reguliert oder zensiert werden.
Einige Regierungen beschäftigen nach Angaben der Organisation auch so genannte "Cyberclaqueure" zur Manipulation von Inhalten in Onlinediskussionen.
Entsprechendes ist für "Agents Provocateurs" anzunehmen bzw. dem in der Studie verwendeten Begriff inklusive.

Claqueure und Agents Provocateurs stellen eine in Hinblick auf die Qualität und sachliche Konsistenz einer Onlinediskussion erhebliche Beeinträchtigung dar.
Die Betrachtung der für alle registrierten Teilnehmer einsehbaren Beitragshistorie einzelner Teilnehmer macht ein solches, tendenzielles oder grundsätzliches, Vorgehen häufig eindringlich transparent.
Fehlt der Moderation im Einzelfall die Erkenntnis über entsprechendes Verhalten, besteht eine nicht unerhebliche Möglichkeit zur Manipulation des Diskussionsforums unter Provokation der Anwendung der Ziffer 9.1 oder 9.3 der Richtlinie.

Werden Beiträge gelöscht oder ganze Diskussionsstränge vorzeitig geschlossen ist -je nach Einschätzung über die Rechtmäßigkeit und das Zustandekommen der jeweiligen Entscheidung- das Prinzip zur Möglichkeit der Information als Voraussetzung zur Partizipation bzw. die Partizipation als solche über das Forum des Petitionsausschusses zumindest erheblich gestört.

Auf die Bedeutung dieser Möglichkeiten im allgemeinen hat die Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" wiederholt und zuletzt in dem Papier "Inhaltliche Formen digitaler politischer Beteiligung" hingewiesen:
"Beschaffung und Verbreitung von Informationen sind eine aktive Form politischer Teilhabe".

Die Löschung von Beiträgen und die vorzeitige Schliessung von Diskussionssträngen stellt einen m. E. hoch sensiblen Bereich der Richtlinie für die Behandlung von öP dar.
Gefährdet ist darüber hinaus in Abhängigkeit von der Art der tatsächlichen Umsetzung und Anwendung und dem resultierenden Gesamtbild die grundsätzliche Einschätzung über die Möglichkeiten digitaler politischer Partizipation im allgemeinen.

Vor dem Hintergrund der oben ausgeführten Aspekte ergibt sich eine große Verantwortung für und ein hoher Anspruch an die Qualität der Moderation des Forums des Peitionsausschusses.

In den Verfahrensgrundsätzen und der Richtlinie finden sich keine Hinweise über die Qualitätssicherung auf dem Gebiet der Moderation.
Es lassen sich keine Angaben über etwaige Verfahren zur Evaluation von Entscheidungen der Moderation finden.
Auch zur Auswahl der Mitglieder der Moderation, den Voraussetzungen zur Ausübung dieser Tätigkeit (z.B. Parteizugehörigkeit, Aus- und Fortbildung [Stichwort "Community Management"]) oder auch der jeweils aktuellen personellen Zusammensetzung der Moderation und der tatsächlichen Anzahl der Moderatoren(-innen) werden keine Angaben gemacht.

In der Annahme, keine mir bisher diesbezüglich zugänglichen Informationen außer Acht gelassen zu haben, möchte ich deswegen eine Überarbeitung der Richtlinien in bezug auf die genannten Punkte anregen und halte diese für sogar erforderlich.

Sollte ich Informationen übersehen haben, würde ich mich über entsprechende Hinweise freuen.

Über eine Diskussion im Rahmen dieses Forums hinaus möchte ich zudem eine Behandlung dieses Themas in der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" anregen.

Edit: Grammatik (Artikel)
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