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Diskussion zur Petition 48867

Gesetzliche Krankenversicherung - Beiträge

Keine Entrichtung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen auf Kapitalauszahlungen von Direktversicherungen vom 24.01.2014

Diskussionszweig: Wie die Krankenkassen das GKV-Gesetz für sich auslegen. -Argumente für den Einspruch

Nutzer1707970 | 24.02.2014 - 18:28

Wie die Krankenkassen das GKV-Gesetz für sich auslegen. -Argumente für den Einspruch

Anzahl der Antworten: 7

Das GKV-Modernisierungsgesetz sollte, wie in dieser Petition beschrieben, abgeschafft oder neu gestaltet werden, um den Kassen keine Auslegungsmöglichkeit zu geben. Zu der TV-Sendung PlusMinus vom 15.1.2014 zu diesem Thema, gab es eine höchst interessante und aufklärende Zuschrift eines fachlich Versierten. Bitte lesen Sie, und ziehen Sie Ihre Schlüsse daraus für Ihre Direktversicherung. In den meisten Fällen sollte sich ein Einspruch bei der Krankenkasse lohnen; -auch in Anbetracht des gerade im Januar ergangenen Urteils des Sozialgericht Dortmund, Aktenzeichen S 39 KR 1585/13 .
Hier die Zuschauerreaktion aus "PlusMinus":
Erhebung von Krankenkassenbeiträgen aus der Auszahlung von Direktversicherungen auf Dauer von zehn Jahren

Sendung "plusminus" im WDR vom 15.1.2014

Sehr geehrte Damen und Herren,

Den Beitrag in der Sendung vom 15. dieses Monats zu dem vorbezeichneten Thema kann ich nur als recht dürftig bezeichnen. Zumindest hätten Sie dem betroffen Zuschauer kurz erklären sollen, daß zwei verschiedene Möglichkeiten der betrieblichen Direktversicherung bestehen und nicht in jedem Fall die Krankenkassen berechtigt sind, Beiträge zu erheben. Sie sind es nur dann, wenn der Direktversicherung eine Versorgungszusage des Arbeitgebers zugrunde liegt, das heißt, wenn dieser sich dem Arbeitnehmer gegenüber schuldrechtlich verpflichtet hat, für seine Versorgungsansprüche einzustehen, wie etwa bei einer Pensionszusage. Dies ergibt sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 1660/08 vom 28.9.2010 (Abschn. III, b).

Wörtlich heißt es dazu: "Das Betriebsrentenrecht qualifiziert auch die ausschließlich arbeitnehmerfinanzierte Direktversicherung als betriebliche Altersversorgung. Voraussetzunghierfür ist, dass die vom Arbeitnehmer eingezahlten Beträge von der Versorgungszusage des Arbeitgebers umfasst sind, und dass der Versicherungsvertrag durch den Arbeitgeber abgeschlossen wurde, dieser - anders als ein privater Lebensversicherungsvertrag - auf ihn als Versicherungsnehmer ausgestellt ist."

Das Betriebsrentengesetz unterscheidet zwei Arten der betrieblichen Altersversorgung:
§ 1 Zusage des Arbeitgebers auf betriebliche Altersversorgung
§ 1a Anspruch auf betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung

Während die Direktversicherungsverträge nach § 1 Betriebsrentengesetz denen einer betrieblichen Pensionszusage (spätere zusätzliche Altersbezüge) entsprechen, basieren die Verträge nach § 1a Betriebsrentengesetz auf der Möglichkeit der Eigeninitiative. Damit wollte man Arbeitnehmern ohne Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung aufgrund Einzelzusage, Arbeits- oder Tarifvertrag die Möglichkeit verschaffen, Altersvorsorge zu treffen, und zwar durch Eigeninitiative mit dem Bonbon einer 10 %-igen Pauschalversteuerung an Stelle der regulären Besteuerung unter betrieblicher Einbindung im Rahmen eines Treuhandverhältnisses. Einer Gleichstellung beider Arten entspricht dies keineswegs. Denn während im Fall § 1 im Versorgungsfall zusätzliche Bezüge anfallen, beruhen im Fall § 1a die späteren Bezüge aus der Abspaltung früherer Bezüge oder aus zusätzlichen Bezügen (Gehaltserhöhung), die auf Wunsch des Arbeitnehmers nicht im Rahmen der regulären Lohnzahlung ausgezahlt, sondern durch Gehaltsumwandlung in eine Direktversicherung zur späteren Altersversorgung eingezahlt werden.

In der Sendung ging es ausschließlich um Betroffene nach § 1a Betriebsrentengesetz mit Abschluß vor dem 1.1.2004, also um Altverträge. In diesen Fällen verhielt es sich so, daß derjenige Arbeitnehmer, der mangels Versorgungszusage keinen Anspruch auf betriebliche Altersversorgung hatte, sich von einem Lebensversicherer ein Angebot einholte und diesen beauftragte, die Formalitäten vorzubereiten, die der Sache einen betrieblichen Hintergrund gab, ohne daß der Betrieb in ein Obligo geriet, so daß der Inhaber sich dem mangels jedweden Eingriffs in seine Vermögensrechte dem nicht widersetzen konnte.

Dies ist der springende Punkt. Warum sollte der Arbeitgeber, der in dieses Verfahren gesetzlich genötigt wurde, zusätzlich dazu eine förmliche Versorgungszusage erteilen, obwohl dies eine Privatangelegenheit seines Arbeitnehmers war und er sich damit unnötig in ein Obligo begeben hätte. Eine förmliche Versorgungszusage des Arbeitgebers wird deshalb in diesen Fällen in aller Regel nicht vorliegen. Es bestand somit ein Treuhandverhältnis dergestalt, daß der Arbeitnehmer beim Ausscheiden aus dem Betrieb einen Herausgabeanspruch hatte auf das, was bei der Lebensversicherung angewachsen war. Es handelte sich somit um eine normale Lebensversicherung mit einem formaljuristischen Hintergrund. Daß von den späteren Auszahlungbeträgen Krankenkassenbeträge erhoben werden, stand überhaupt nicht im Raum. Bei einer normalen Lebensversicherung war das ja auch nicht der Fall.

Die Krankenkassen beziehen sich in ihrer Begründung zur Beitragserhebung auf die Konsensverhandlungen zur Gesundheitsreform, die zu der Neufassung des § 229 Sozialgesetzbuch V ab dem 1.1.2004 geführt haben. Danach sei alleinige Voraussetzung für die Beitragspflicht ein Bezug zum früheren Arbeitsleben. Für die Zuordnung zu den Versorgungsbezügen sei es unerheblich, wer die Leistungen finanziert hat. Das bedeute, daß die Leistungen selbst dann zu den Versorgungsbezügen gehören, wenn und soweit sie auf Beiträgen des Arbeitnehmers beruhen.
Bekräftigt wird diese Ausführung durch den Nachsatz "Die Beitragspflicht wurde mit Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 15.10.2010 durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt." Das ist eine unkorrekte verfälschende Aussage.

Stattdessen hätte korrekterweise auf das zuvor im zeitlichen Zusammenhang erlassene Verfassungsgerichtsurteil vom 28.9.2010 Bezug genommen werden müssen, wonach die Beitragserhebung nur unter der Einschränkung des Vorliegens einer Arbeitgeberversorgungszusage (s.o.) zulässig ist. Damit hätte aber die vorangestellte Aussage zur generellen Beitragspflicht ihren Sinn verloren. Denn, wenn die Dotierung der Lebensversicherung aus eigenen Mitteln erfolgt(e), erübrigt sich eine Arbeitnehmerzusage grundsätzlich.

Die Übertragung der Berechtigung zum Abschluß der Lebensversichung durch den Arbeitgeber als Versicherungsnehmer unter Zugriff auf den Lohn des Arbeitnehmers erfolgte im Rahmen eines Trauhandverhältnisses. Danach ist der Treuhänder zur Herausgabe der erworbenen Ansprüche an den Treugeber verpflichtet. Ein Herausgabeanspruch ist keine Versorgungszusage. Eine Herausgabe richtet sich auf etwas, was einem ohnhin schon gehört. Dagegen bewirkt die Erfüllung einer Versorgungszusage beim Empfänger eine Bereicherung, mindestens eine zusätzliche Absicherung. Insoweit, aber nur insoweit, ist die Erhebung der Krankenkasssenbeiträge zulässig. Wenn die Krankenkasse dennoch Beiträge erhebt, müßte sie generell unterstellen, daß eine Bereicherung oder eine Garantie aus einer Arbeitgeberzusage vorliegt. Darauf hätte die Krankenkasse aber unter Bezug auf das Urteil vom 28.9.2010 hinweisen müssen. Ein Zugriff ohne Versorgungszusage des Arbeitgebers geht nach dem o.a. Bv-Urteil vom 28.9.2010 gar nicht.

Das Verfassungsgerichtsurteil vom 15.10.2010 betraf die private Weiterführung der Direktversicherung nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis. Dieses Urteil hat den Krankenkassen eine Niederlage eingebracht, dergestalt als auf den Auszahlungsanteil aufgrund der privaten Ansparleistung keine Beiträge zur Krankenkasse erhoben werden dürfen.

Wie Herr Lauterbach von der SPD in Ihrer Sendung kleinlaut zugab hat die Politik unter Führung von Kanzler Schröder im Einvernehmen mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen auf die Dirktversicherungen durch Gesetzesänderung auf den 1.1.2004 zugegriffen, weil die Krankenkassen Geld brauchten. Der Zugriff erfolgte ohne Besitzstandswahrung der bis zu diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Verträge und ohne zu unterscheiden, ob die Gehaltsumwandlung nach § 1 oder § 1a Betriebsrentengesetz erfolgte. Er räumte ein, daß damit in den Fällen nach § 1a Betriebsrentengesetz Ungerechtigkeiten entstanden seien, über deren Beseitigung oder Abmilderung nachgedacht werden müsse. Eine erstaunliche Aussage, in Anbetracht des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28.9.2010 (s.o.). Als hochdotierter Sozialpolitiker, der an der betreffenden Gesetzgebung mitgewirkt hat, müßte er dieses Urteil kennen und in der Lage sein, eine sachkundige Stellungnahme abzugeben, statt sich in mitfühlender Unverbindlichkeit zu verlieren. Entweder hat der Mann keine Ahnung in der Sache oder er scheut die Aufdeckung der unrechtmäßigen Verfahrensweise der Krankenkassen.

Mit der Einschränkung des Vorliegens der Arbeitgeberzusage hat das Bundesverfassungsgericht eine rote Linie gezogen, die gegen die Interessen der gesetzlichen Krankenkassen aus der Gesundheitsreform zum 1.1.2004 gerichtet ist. Deshalb wird dieses Urteil bewußt von diesen Kreisen ignoriert. Das Bundesverfassungsgericht mußte diese Linie ziehen, weil sonst das grundgesetzlich geschützte Eigentumsrecht infrage steht. Denn bei Lichte besehen ist die von der Politik veranlaßte Beitragserhebung auf Lebensversicherungen, die aus eigenen Mittteln finanziert wurden, bei einem Krankenkassenanteil von ca. 25 % eine Enteignung unter fadenscheiniger Begründung. Dies konnte das Bundesverfassungsgericht nicht durchgehen lassen.

Gleichwohl, die Krankenkassen, Politik und andere Interessenten lassen dieses Urteil in der Versenkung verschwinden und die Beitragszahler durch falsche Belehrung ins offene Messer laufen. Denn wenn die Rechtsbehelfsfrist verstrichen ist, ist der Bescheid rechtskräftig und die betreffenden Mitglieder zahlen unwissentlich zu Unrecht. Um dem in der Zukunft zu entgehen, bleibt meines Erachtens nur ein Wechsel der Krankenkasse, um sich danach ggf. erneut zu wehren.

Klären Sie die Zuschauer alsbald auf, jeder Tag, der vergeht, vergrößert den Schaden für die Betroffenen und das werden nicht wenige sein.
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