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Petition 67508

Arbeitslohn

Forderung nach einer Ausnahme vom Mindestlohngesetz für Bereitschaftsdienste in spezifischen Einrichtungen vom 06.09.2016

Text der Petition

Mit der Petition wird eine Ausnahme vom Mindestlohngesetz für Bereitschaftsdienste in Einrichtungen, in denen erzogen, gepflegt oder betreut wird, gefordert.

Begründung

Familienähnliche Erziehungssettings, Kleinstgruppen, familienähnliche Wohngruppen uwm. sind in der stationären Kinder- und Jugendhilfe hochdifferenzierte und am spezifischen Bedarf der in ihnen lebenden jungen Menschen mit Hilfebedarf ausgerichtete Betreuungsformen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass die Betreuer*innen mit den zu betreuenden jungen Menschen zusammen leben. Übersichtlichkeit, Verlässlichkeit sowie gelebte Intimität im Rahmen der stationären Heimerziehung sind ihre charakteristischen Merkmale. Sie haben sich in den vergangenen Jahrzehnten in der Heimerziehung sehr bewährt, weil sie den kindlichen Bedürfnissen in hohem Maße entsprechen.

Erziehungsstellen und familienanaloge Wohnformen setzen zwingend eine „Rund-um-die-Uhr-Betreuung“ voraus, die auch Grundlage der Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII ist. Diese wichtigen Angebotsformen der stationären Kinder- und Jugendhilfe sind nun auf Grundlage des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 29.06.2016 – 5 AZR 135/16 insoweit gefährdet, als dass Bereitschaftszeiten nunmehr auch mit dem Mindestlohn zu vergüten sind.

Da Bereitschaftsdienste Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes sind (BAG vom 19.11.2014 – 5 AZR 1101/12), führt dies bei den o. g. Betreuungsformen auf Grundlage von § 34 SGB VIII dazu, dass die gesamte Arbeitszeit dieser „Rund-um-die-Uhr-Betreuung“ mit dem Mindestlohn zu vergüten ist.

In der aktuellen Rechtsprechung wird davon ausgegangen, dass Bereitschaftsdienste geringer vergütet werden können als Normalarbeitszeit. Der durchschnittliche Stundenlohn, der sich aus dem Bruttomonatsgehalt dividiert durch die Gesamtarbeitsstunden (einschließlich der Bereitschaftszeiten) ergibt, muss allerdings insgesamt dem Mindestlohn entsprechen.

Bei einer „Rund-um-die-Uhr-Betreuung“ führt dies nunmehr dazu, dass immer 24 Stunden Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes vorliegen, die mindestens mit dem Mindestlohn zu vergüten sind. Derzeit aber werden die Betreuer*innen in derartigen Einrichtungen mit einem pauschalen Monatsgehalt vergütet, mit dem die gesamte anfallende Arbeitszeit einschließlich der Bereitschaftszeiten abgegolten wird.

Da der Mindestlohn weder einzelvertraglich noch anderweitig umgangen werden kann, bedarf es hier einer dringenden gesetzlichen Korrektur. Auf Grundlage der o. g. Rechtsprechung würden sich nämlich die Personalkosten der Fachkräfte in diesen Einrichtungen monatlich nahezu verdoppeln, was seitens der belegenden Jugendämter nicht zu refinanzieren wäre. Dies wiederum würde nicht nur den Bestand dieser Einrichtungen gefährden, sondern gleichermaßen auch die Zukunftschancen der in ihnen lebenden Kinder nachhaltig negativ beeinflussen. Dies kann nicht im Interesse des Gesetzgebers liegen. Deshalb bedürfen diese Angebotsformen seitens des Gesetzgebers eines besonderen Schutzes.

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