Text der Petition
Der Bundestag möge beschließen, eine umfassende Geburtshilfereform vorzunehmen, welche Frauen, ihre (ungeborenen) Kinder, ihre Partner/innen sowie geburtshilfliches Personal vor physischer, psychischer und struktureller Gewalt in der Geburtshilfe schützt; er möge dafür eine flächendeckende respektvolle Versorgung sicherstellen und die WHO-Empfehlungen zur „Vermeidung und Beseitigung von Geringschätzung und Misshandlung bei Geburten“ umsetzen. Nötige Gesetzesänderungen sind vorzunehmen.
Begründung
Die Weltgesundheitsorganisation mahnt 2014 vor missbräuchlicher und vernachlässigender Behandlung in geburtshilflichen Einrichtungen weltweit und empfiehlt ein umfassendes Maßnahmenpaket, um Respektlosigkeit und Gewalt in der Geburtshilfe zu stoppen. Auch in Deutschland werden im Kontext von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett täglich Menschen- und Patientenrechte verletzt und professionelle Versorgungsstandards nicht flächendeckend eingehalten. Fachleute und AktivistInnen gehen - je nach Definition der Gewalt - von ca. 10 % bis 50% Betroffenen aus (vgl. Dlf 2017).
Trotzdem fehlen effektive Präventionsprogramme, Gegenmaßnahmen, Forschungsunterstützung und Hilfsangebote. Es ist ein gravierendes, jahrzehntelang tabuisiertes und vernachlässigtes Problem.
Im Kern geht es um: Unterversorgung (z.B. Verweigerung der Aufnahme sowie Vernachlässigung unter der Geburt/im Wochenbett), gewaltsame und z.T. stark veraltete Praktiken, die trotz fehlender Evidenz angewendet werden, Überversorgung (zu viele unnötige Untersuchungen/Interventionen), aufgezwungene oder ohne umfängliche Aufklärung und Einwilligung vorgenommene medizinische Eingriffe (wie Dammschnitt, Kaiserschnitt), verbale Missachtung und Beleidigung, tiefe Demütigung, Diskriminierung, grobe Verletzung der Intimsphäre oder sexuellen Missbrauch, Missachtung der Schweigepflicht oder Verweigerung der Schmerzbehandlung (vgl. u.a. WHO 2014, S.1).
Die bisherigen Lösungsansätze der Bundesregierung im gesamten Sektor der Geburtshilfe sind nicht ausreichend. So hat sich die Versorgungssituation in städtischen und ländlichen Gebieten sogar weiter verschlechtert. Während die Geburtenrate pro Frau in den letzten Jahren von 1,3 auf 1,5 Kinder stieg, ist die Anzahl der Geburtskliniken stetig zurückgegangen - von 950 (2004) auf unter 690 (2017), so sank auch die Zahl der Beleghebammen zwischen 2012 und 2016 von 1.996 auf 1.776 (Ärzteblatt, StBA 2018). Bei einer Umfrage der DGGG 2018 gab ein Drittel der Kliniken an, Schwangere unter der Geburt im letzten Halbjahr 2017 mindestens einmal abgewiesen zu haben.
Diese Situation ist nicht mehr länger zu akzeptieren.
Familien, Mütter und Kinder zu schützen, ist im Grundgesetz verankert (GG Art. 6, Abs. 1 & 4, Art. 1, Abs. 1). Ihnen muss flächendeckend respektvolle Geburtshilfe ermöglicht und den Versorgungsträgern sowie dem medizinischen Personal (Hebammen, ÄrztInnen u.a.) die dafür nötigen Voraussetzungen und (Arbeits-)Bedingungen gegeben werden.
Die Umsetzung der WHO-Empfehlungen mit fünf Maßnahmepunkten ist zudem spätestens mit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen unumgänglich und muss sofort veranlasst werden. Zusätzlich bieten Organisationen und Vereine wie die IMBCO, die WRA, der AKF u.a. bereits seit Jahren Konzepte für frauen- und familiengerechte Geburtshilfe.
Die Bundesregierung muss diese in einer umfassenden Reform umsetzen und nötige Gesetzesänderungen, z.B. ein Recht auf respektvolle Geburtshilfe, vornehmen.
Im Vergleich zur Geburtshilfe in den 70ern hat sich natürlich einiges gebessert (wäre auch schlecht wenn nicht), aber das sollte ja nicht unser Standard sein.
Wenn an allen Universitäten gelehrt wird, dass unkontrollierte Dammrisse einem Dammschnitt vorzuziehen sind, warum haben manche Kliniken eine Dammschnittrate von 60% ??
Warum werden Frauen stundenlang während der Geburt alleine gelassen nur um dann irgendwann wenn es fast zu spät ist über das CTG vom Nebenzimmer festzustellen, dass wohl etwas nicht stimmt, dann das Zimmer zu dritt zu stürmen und ohne weitere Erklärungen das Kind rauszukristellern (was in einigen europäischen Ländern sehr umstritten ist) und damit Frau und Kind physischen sowie psychischen Schaden zuzufügen?
Wieso werden Frauen häufig für unmündig gehalten und vollkommen übergangen? Dies mag in einer absoluten Notsituation notwendig sein, doch solche Notsituationen sind eine Seltenheit und nicht die Regel. Das übergangen werden und nicht eingebunden werden in Entscheidungsprozesse, sind jedoch leider doch die Regel!!
Es braucht ein unglaublich großes Umdenken, sowohl in den Krankenhäusern, bei den Krankenkassen, als auch in der Gesellschaft.
Eine gebärende Frau ist ein Mensch mit gefühlen, bestimmten Vorstellungen und Rechten! Kein Stück Fleisch, das man herumschubsen kann wie man will, liegenlassen kann auch wenn es um Hilfe ruft (obwohl das CTG noch top aussieht) etc.
Also herzlichen Dank an die Petentin/den Petenten für diese mutige aber längst überfällige Petition!! Vielen Menschen wird der Zusammenhang zwischen Gewalt und Geburt zwar nicht gefallen, aber nur weil es unbequem ist, sollte man vor tagtäglichen Problemen nicht die Augen verschließen!