Text der Petition
Mit der Petition wird gefordert, dass das Bundesministerium für Gesundheit die gesetzliche Frist nach § 291 Abs. 2b Satz 14 SGB V für die verpflichtende Anbindung von Praxen an die Telematikinfrastruktur verlängert und niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten nicht schuldlos ab dem 01.01.2019 mit einem Honorarabzug sanktioniert werden.
Begründung
Laut E-Health-Gesetz sollen alle niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten ihre Praxen bis zum Ende des Jahres 2018 an die Telematikinfrastruktur (TI) anschließen. Die bestehenden Rahmenbedingungen sind allerdings so problematisch, dass sich die meisten Praxen gar nicht innerhalb dieser Frist anbinden können:
Die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH (kurz: gematik) konnte bisher keine weiteren für den TI-Anschluss erforderlichen Geräte, insbesondere TI-Konnektoren, zulassen. Obwohl die gematik vier Konnektoren in Aussicht gestellt hatte, ist bis dato nur ein Komponentenpaket eines Anbieters auf dem Markt verfügbar (Stand: 22.08.2018).
Und das bedeutet: Nur Praxen, die auch ein mit dem bisher zugelassenen Konnektor kompatibles Praxisverwaltungssystem (PVS) im Einsatz haben, können sich bedenkenlos an die TI anbinden. Für Praxen, die ein PVS eines anderen Anbieters nutzen, ist eine Anbindung unter den aktuellen Rahmenbedingungen - sowohl in finanzieller als auch in technischer Hinsicht - mit eindeutigen Risiken verbunden. Das zeigen bisherige Erfahrungsberichte von Niedergelassenen.
Trotz alledem droht die Gesetzgebung den Praxen weiterhin mit einem Abzug ihres Honorars in Höhe von einem Prozent, wenn sie sich nicht fristgerecht bis zum Jahresende 2018 an die TI anschließen.
Ärzte und Psychotherapeuten müssen aber die Zeit erhalten, sich mit den TI-Komponenten ihres PVS-Anbieters ausstatten zu können, und dürfen nicht durch Sanktionen zu einem Vertragsabschluss mit einem anderen TI-Anbieter genötigt werden.
Eine nutzbringende Digitalisierung des Gesundheitswesens darf nicht zu Lasten der Ärzte und Psychotherapeuten gehen. Denn diese sind nicht dafür verantwortlich, dass die erforderlichen Geräte größtenteils noch nicht zugelassen und auf dem Markt verfügbar sind.
Die gesetzlich vorgesehene Einführungsfrist muss daher verlängert werden! Eine solche Fristverlängerung aus Marktgründen wurde bereits in der Vergangenheit durchgeführt. Da sich an den Marktbedingungen nichts Grundsätzliches geändert hat, muss eine erneute Verlängerung erfolgen.
* Ärzte (und somit auch die Patienten) werden per Gesetz verpflichtet, etwas zu kaufen, das keinen Nutzen für Arzt und Patient hat.
* Einen gewissen Nutzen haben die Krankenkassen, da die Verwaltung der Mitgliederadressen jetzt beim Arzt gemacht wird.
* Es wird Geld in erheblichem Umfang aus dem Gesundheitswesen in die EDV-Industrie umgelenkt.
* Für die beteiligten Firmen (KoCo, Bertelsmann, Bundesdruckerei, Telekom, Verwaltungssoftwareanbieter ...) wird der Gewinn staatlich garantiert. Der KoCo-Vorsitzende freut sich daher über die hohe Nachfrage nach überteuerten Routern und Smartcards :-).
* Alle finanziellen und technischen Risiken tragen Ärzte (und Patienten, sofern die Ärzte die erhöhten Kosten umlegen können). Die derzeitigen Erstattungssummen tragen weder die einmaligen noch die regelmäßigen Kosten der "Rundum-Sorglos-Pakete" vollständig. Praxisspezifische Infrastrukturkosten kommen noch dazu.
* Alle Datenschutzrisiken trägt der Patient (Windows-Clients!).
Ein Vergleich mit dem Leuchtturmprojekt Toll Collect (aus Spediteurssicht sicherlich genauso sinnlos) liegt nahe:
Der Spediteursverband konnte durchsetzen, dass der Spediteur zum Einbau der ungeliebten OBU-Geräte den LKW und die Zeit bereitstellt, jedoch keine Finanzmittel. Dies ist durchaus beachtlich, da die Ärzte für den Einbau der Geräte nicht nur die Praxis und die Zeit bereitstellen, sondern das erforderliche Computernetzwerk und alle Geräte auf eigene Rechnung bezahlen und dafür fixe, unter den realen Kosten liegende, Erstattungen bekommen.
Zusammengefasst:
* Lobbyerfolg erster Güte für die EDV-Industrie. Unter den geförderten Firmen sind auch politisch zuverlässige (Zufall?).
* Lobbyerfolg der gesetzlichen Krankenkassen.
* Ärztevertreter haben das System nicht verstanden oder sich nicht durchsetzen können.
* Patientenvertreter haben das System nicht verstanden oder haben sich nicht durchsetzen können.