Text der Petition
Der Deutsche Bundestag möge beschließen, den von der Bundesregierung am 26.09.2018 eingebrachten Entwurf zum Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung (Terminservice- und Versorgungsgesetz - TSVG) abzulehnen und an das zuständige Fachministerium zurück zu verweisen.
Begründung
Im Kabinettsentwurf des TSVG wurde kurzfristig ein Zusatz zum § 92 Abs.6a SGB V eingeführt. Er sieht eine „gestufte Steuerung“ von hilfesuchenden psychisch kranken Menschen vor: Ausgesuchte Ärzte und Psychotherapeuten, deren Qualifikation erst noch durch den G-BA definiert werden soll, sollen dann in Voruntersuchungen entscheiden, welchem Hilfs- bzw. Therapieangebot die Betroffenen zugeführt werden.
Eine derartige Selektion, bevor eine Behandlung in Anspruch genommen werden kann, hebelt den freien Zugang zum ärztlichen oder Psychologischen Psychotherapeuten aus. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sind im Kabinettsentwurf nicht erwähnt, werden vermutlich aber auch noch in das Gesetzesvorhaben eingeschlossen.
7 Gründe zur Streichung des im Gesetz vorgesehenen Entwurfs zum § 92 Abs. 6a:
1. Dieses Gesetzesvorhaben diskriminiert im Entwurf zum § 92 eine ganze Patientengruppe. Den psychisch kranken Patientinnen und Patienten wird damit aufgebürdet, oftmals enorme, hoch schambesetzte seelische Belastungen gegenüber Behandlern darzustellen, die sie danach in der Regel nicht wiedersehen werden und die sie nicht selbst nach Vertrauensgesichtspunkten gewählt haben.
2. Psychisch Kranken wird ein Hürdenlauf zugemutet, der sie unnötig belastet und gegenüber anderen Patientengruppen benachteiligt. Es entsteht ein neues Nadelöhr vor der eigentlichen Behandlung.
3. Mit der Reform der Psychotherapie-Richtlinie 2017 sind neue Strukturen eingeführt worden, deren Auswirkungen zunächst erfasst und evaluiert werden müssten, bevor über neue Eingriffe entschieden werden kann.
4. Der Entwurf zum § 92 diskriminiert darüber hinaus auch die psychotherapeutisch tätigen Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten, die aufgrund ihrer Fachkunde und Zulassung alle über die Qualifikation zur Diagnostik, Indikationsstellung und Behandlungsplanung verfügen.
5. In einer Studie einer Krankenkasse wurde nachgewiesen, dass Psychotherapeuten korrekte Behandlungsindikationen stellen.
6. Mehrere unabhängige Versorgungsstudien belegen, dass in Deutschland mit gutem Erfolg und zur hohen Zufriedenheit der Patienten behandelt wird und die Behandelten zuvor nachweislich erheblich psychisch belastet waren.
7. Das geplante Vorgehen bindet völlig unnötig die Ressourcen von Ärzten und Psychotherapeuten, die damit der eigentlichen psychotherapeutischen Behandlung entzogen werden.
Die beabsichtigte Neuregelung kann nur als der ungerechtfertigte Versuch einer Rationierung von Behandlungsleistungen aufgefasst werden. Bei noch unzureichender Bedarfsdeckung soll offensichtlich die Versorgung durch Priorisierung und Behandlungseinschränkungen ‚fürsorglich eingehegt‘ werden. Das wäre ein folgenschwerer Eingriff in die Versorgungsstruktur psychisch kranker Menschen.
Wir fordern die Bundestagsabgeordneten und Gesundheitspolitiker aller Parteien auf, dafür Sorge zu tragen, dass der Zusatz zum § 92 (6a) im TSVG ersatzlos gestrichen wird
Es ist: das Bundessozialgericht schätzte die Vollauslastung eines PsyTh auf durchschnittlich 36 Pat / Woche ein.
Daraus machte das Gesundheitssystem eine Deckelung, um Kosten zu begrenzen: wer als PsyTh mehr als 36h/Woche arbeitet, muß mit Restriktionen des GKV-Systems rechnen.
Die wöchentlich möglcihe Arbeitskapazität eines PsyTh wird durch weitere, z.T. neue Regelungen eingeschränkt:
- Psychotherapien müssen vorab bewilligt werden. I.d.R seit 50J (etwas gelockert seit 1.4.17) muß dafür alle ca. 20h ein Gutachten geschrieben werden, das einen Zeitaufwand von lt. Umfragen 3-4h umfasst. Diese Schreiberei wird nur in der ersten halben Std. adäquat bezahlt, so daß strukturelle Gewalt des Systems die PsyTh zwingt, ihre Freizeit / unbgezahlte Arbeitszeit dafür zu verwenden.
Auf eine Vollversorgerpraxis gerechnet entzieht das der Pat.versorgung mind. 1 h pro Woche
- die politisch allseits hoch gelobten Psychotherapierichtlinien verlangen ab 1.4.17 daß PsyTh 100 min. pro Woche = zwei Therapiestd. lang ihr Telefon bedienen, letztlich um den meisten Anrufern nun direkt sagen zu können, daß sie keine Plätze haben. Schmälerung der Wochenkapazität um 2 Patienten.
- die öffentlich auch hoch gelobten "Sprechstunden" bei PsyTh wurden vom System gegenüber der ursprünglichen Idee (Bereicherung) zweckentfremdet und zwingen die Praxen seit 1.4.17, zwei Std. pro Woche der Pat.versorgung zu entziehen, um kurze Diagnostikgespräche zu führen. Der steuernde politische Regelungswille war wohl eine systematische Wahrnehmung - methodisch vollkommen verspult. Effekt: diagnostizierte Pat. sind hoch frustriert, daß es nicht weiter gehen kann. Ist dass sinnvolle Versorgung im Jahr 2018?
Es wäre segensreich, wenn die Politk die im System organisierten Widersprüche und Hemmnisse für PsyTh mal wahrnimmt und PsyTh so organisiert, daß psychotherapeutische Versorgung vom System unterstützt und die psyth. Kapazität nicht intern ausgebremst wird.
Grund: vermutlich das hier schon erwähnte unreflektierte Spar-Interesse.
Wieviel ist dem deutschen Staat die psychische Gesundheit eines Drittels seiner erwachsenen Bevölkerung wert? Weiterhin nur ein halbes Prozent der Organmedizin?
Kann PsyTh nicht unabhängig von Partialinteressen und dominanter Fremdbestimmung im Gesundheitssystem organisiert werden, so daß sie gut funktioniert?