Text der Petition
Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass die 9. Elbvertiefung gestoppt und die Schlickverklappungen am Weltnaturerbe Wattenmeer vor Cuxhaven beendet werden. Wir fordern ein norddeutsches Hafenkonzept anstelle einer weiteren Vertiefung unserer Flüsse. Das Elbeästuar ist für die biologische Artenvielfalt in Europa von unermesslichem Wert. Der Nationalpark Wattenmeer steht als UNESCO-Weltnaturerbe unter internationalem Schutz.
Begründung
Wir wollen im Ästuar der Elbe keinen Zustand wie in der Ems. Das Emsästuar galt bis Ende der 90iger Jahre als die fischreichste Flussmündung in Deutschland. Sauerstofflöcher und hohe Schlickbelastungen durch ständiges Ausbaggern haben hier die ökologische Lebenswelt im Wasserbereich weitgehend zerstört.
Im Frühjahr 2019 soll der 2-jährige Ausbau der Elbe-Fahrrinne beginnen. Es handelt sich um den wohl historisch größten Eingriff in das Ökosystem der Elbe. Rund 40 Mio. m3 Sediment sollen aus dem Flussbett gehoben werden, dreimal mehr als bei der letzten Vertiefung 1999. Dabei hat die Elbe die letzte Vertiefung noch nicht verkraftet. Denn auf den Fahrrinnenausbau folgte eine noch weiter zunehmende Unterhaltungsbaggerei. Große Bagger saugen tagtäglich den Grund des Flusses ab – und mit ihm Jungfische, Krebstiere, Würmer, Schnecken und Muscheln. Auch die Hamburger Hafenbecken müssen täglich vom Schlick befreit werden, nur dass sich hier kaum noch Leben im Boden befindet, dafür gefährliche Schadstoffe. Aufgrund von wiederkehrendem Fischsterben darf in den Sommermonaten in der Unterelbe bei Hamburg kein Baggerschlick mehr umgelagert werden. Eine Landentsorgung, so wie sie noch vor der letzten Elbvertiefung für Hamburger Hafenschlick üblich war, ist bei den gigantischen Mengen nicht mehr möglich. Deshalb haben sich Bund und Küstenländer dazu entschlossen, das Umweltproblem von der Unterelbe in die Außenelbe (Cuxhaven/Neuwerk) und in die Nordsee (Helgoland/Scharhörn) zu verlagern. Der gebaggerte Schlick aus der Unterelbe und dem Hamburger Hafen wird seitdem zunehmend in unsere Meeresgebiete (Deutsche Bucht) fernab von Hamburg verbracht.
Jedes Jahr werden in der Tideelbe knapp 30 Mio. m3 Sedimente gebaggert und an anderer Stelle wieder abgeladen. Um die 10 Mio. m3 davon werden direkt am Nationalpark Wattenmeer zwischen Cuxhaven und Neuwerk entsorgt. Die Folgen sind gravierend. Priele und Rinnen, die Kinderstube zahlreicher Fischarten und Krabben, verlanden. Das feste Sandwatt wird großflächig von einer zähen sauerstoffarmen Schlickmasse überzogen. Dieses führt zu Algenbildung und einem Erstickungstod der Lebewesen im Wattboden. Die Klappstellen befinden sich parallel zum Wanderkorridor der Fische. Die Trübstoffe aus der Verklappungswolke setzen die Kiemen der Fische zu. Der Stint, eine wichtige Schlüsselart für das Ökosystem, durchquert diesen Wanderkorridor zum Laichen in die Elbe. Neueste Untersuchungen zu der Artenvielfalt in der Elbe schlagen nun Alarm. Der Stintbestand - mehr als 90 % der Fische in der Elbe sind Stinte - ist massiv eingebrochen und mit ihm der Bestand seltener Brutvögel, die sich von diesem Fisch ernähren. Auch der Bestand der Schweinswale ist in Gefahr. Ein ganzes Ökosystem droht zu kollabieren. Mit weiteren Eingriffen in den Fluss könnte ein Punkt erreicht werden, an dem ein wertvolles Ökosystem schlagartig kippt. Und auch das artenreiche Wattenmeer vor Cuxhaven sehen wir in seinem Bestand massiv gefährdet.
Was sich aber aber im Bereich der gesamten Unterelbe demnächst abspielen wird, erinnert zwar an die Schildbürger, ist aber keine Lachnummer, sondern muss mit einer Tragödie umschrieben werden.
Leidtragende sind der Aal - Fisch des Jahres 2004 - und seine Angelfreunde , ebenso wie die Anhänger seiner Feinkost.
Im Rahmen einer inzwischen 14. Besatzaktion haben seine Angelfreunde im März über 1,2 Millionen Glasaale in der Elbe bei Bleckede und in benachbarten Nebenflüssen ausgesetzt. Zuvor hatten die Petrijünger schon eine halbe Millionen Glasaale in heimischen Gewässern verteilt, natürlich in der Erwartung, dass sie auf ihrer Wanderung elbabwärts ins Sargasso-Meer dort für Nachwuchs sorgen, der dann hoffentlich zurückwandert in die heimische Elbe- Region.
Nun aber wird der Elbeuntergrund von gewaltigen Saugbaggern im Verlauf der Unterelbe aufgewühlt und erschwert dem Aal die Nahrungsaufnahme , wenn er nicht schon vorher - von den Saugköpfen eingesaugt - verendet. Seit 1998 ist der Aal hochrangig bedroht und hat daher seinen Stammplatz auf der Roten Liste bedrohter Arten.
Während der 2- jährigen Elbvertiefung mit ca. 40 Mio cbm "Baggergut" und parallel laufenden Unterhaltungsbaggerungen von weiteren 27 Mio cbm pro Jahr könnte man einen Wall rund um die Erde ( 40000 km ) von 2 m Höhe und 1 m Breite aufbauen. Wem dieses anschauliche Bild noch nicht ausreicht, sollte sich klar darüber werden, dass alljährlich mindestens ca. 27 - 28 Mio cbm Baggermassen gebaggert und im Verlauf der Unter- und Aussenelbe "umgelagert " werden. Diese Massen würden ausreichen, um die gesamte vertiefte Fahrrinne von Cuxhaven bis Hamburg mit einer Schichtstärke von mind. 60 cm zu überlagern, ein erklecklicher Rest würde sich im seitlichen Fahrwasserbereich absetzen.
Man braucht kein Prophet zu sein, um sich vorzustellen, welche katastrophalen Folgen diese alljährliche Umlagerung bis zum St. Nimmerleinstag für den Aal und seine aquatischen Mitbewohner bedeutet. In der seinerzeitigen Heimat von Stör und Lachs und anderen Artgenossen wird man am Ende mit dem Gruss "Willkommen daheim" nur einen minimalen Bruchteil zur Ankünft in heimischen Gewässern erwarten können. Dem Stint – Hauptnahrung für die Flusss- und Küstenseeschwalben- wird es nicht anders ergehen; die Seeschwalben vorm Neufelder Sand werden sich endgültig verabschieden, zumal sie schon jetzt in der aufgewühlten Unterelbe kaum noch ihre Überlebensgrundlage erkennen können.
Der Kollaps der Elbeökologie ist besonders bedauerlich, weil dieser wasserbauliche Gewaltakt Hamburg keinen Zuwachs beim Containerumschlag bringen wird. Wir haben dies vielfach mit handfesten Argumenten unter Beweis gestellt, leider ohne jede Einsicht bei den Planern der Elbvertiefung.
Klaus Schroh /Nabu Cuxhaven