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Diskussion zur Petition 94089

Arzneimittelpreise

Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln vom 24.04.2019

Diskussionszweig: Mal Klartext zum EuGH-Urteil

Ich_habs_mit_Logik | 17.07.2019 - 19:03 (Zuletzt geändert am 18.07.2019 - 02:42 von Ich_habs_mit_Logik )

Mal Klartext zum EuGH-Urteil

Anzahl der Antworten: 9

Offenbar hat keiner der Politiker und Apotheken-Hasser sich mal mit dem Urteil des EuGH aus 2016 befasst, daher mal eine saloppe Zusammenfassung.

Der EuGH hat also 2016 festgestellt, dass die Preisbindung bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln nicht für Apotheken die Arzneimittel aus EU-Ländern nach Deutschland schicken gilt.

Das Geschäftsmodell der Versandapotheken hält er für verzichtbar, aber um den Versandapotheken überhaupt einen Marktzugang zu ermöglichen, da sie offenbar sonst nicht gegen Apotheken Vor-Ort bestehen können, hebt er die Preisbeschränkung auf verschreibungspflichtige Medikamente auf, um durch die Gewährung von Rabatten Kunden anzulocken und so sich im Markt etablieren zu können.

Er sieht darin auch kein Problem für die im Inland ansässigen Apotheken, da sie ja im Alltag viel leichter Zugang zum Kunden erhalten können durch direkten Kontakt.
Die Gemeinwohlpflichten wie Notdienst, Akutversorgung, Herstellung von Rezepturen nimmt er zur Kenntniss, rät aber in den Apotheken Vor-Ort die Preise entsprechend anzupassen um evtl. Verluste an die Versender auszugleichen (Dank Preisbindung im Inland gar nicht möglich, höchstes im Freiverkauf-Bereich)

Da Land-Apotheken im Gegensatz zu Stadt-Apotheken weniger Konkurrenz im Umfeld haben, wären höhere Preise dort leichter durchzusetzen, um so weiterhin die Gemeinwohlpflichten erfüllen zu können (warum sollte der Kunde dort dann nicht verärgert zum Versand gehen?)
Im Klartext, der Bewohner auf dem Land soll also mehr bezahlen, weil er dummerweise auf dem Land wohnt, damit die Versorgung dort nicht wegbricht, dass ein ausländischer Konzern (Schweiz/Saudi-Arabien) sein dubioses Geschäftsmodell etablieren und Reibach machen kann, mit eventuell verschlechterrter Versorgung für die Bewohner auf dem Land.
Bisher galt für alle Preisgleichheit, egal wo in Deutschland!
Während momentan jeder in jede Apotheke gehen kann um ein Rezept einzulösen, auch im Urlaub, kann es dann passieren, dass er zuerst die Krankenkasse kontaktieren muss, um zu erfahren welche Apotheke für ihn noch in Frage kommt, oder er bei fünf (Zahl ist willkürlich, kann mehr oder weniger sein) erst mal nachfragen muss, was das Medikament kostet, bevor er beim günstigsten Anbieter zuschlagen darf.

Wird hier jedem Leser die Absurdität und der soziale Sprengstoff bewußt?

Wenn dann die Versorgung Vor-Ort wegbricht ist man natürlich zwangsläufig auf den Versand angewiesen. Dann aber zu dessen Preisen, egal wie hoch, mit den von ihm diktierten Lieferzeiten (kann schon mal 3 Tage dauern). Bei Lieferengpässen gibt es dann halt so wie schon aktuell nach zwei Wochen das Rezept kommentarlos zurück und Rezepturen werden eh nicht angefertigt.

In 23 EU-Ländern ist dewegen der Versand auf Rezept verboten, nur in Deutschland ist das nicht machbar.

Und statt von Verbraucherschutz wird dann über Erhalt von Pfründen, Monopol, etc. geschwafelt.
In Deutschland ist es um die Intelligenz wirklich schlecht bestellt!

Diskussion eröffnet.

Zur Ergänzung füge ich hier noch den Kommentar weiter unten ein:

Um die Denkweise des EuGH noch mal etwas zu verdeutlichen:

Im letzten Winter hätte der Apotheker für die knappen Grippe-Impfstoffe dann also konsequenter Weise statt ca. 30€ eher 80€, 120€, oder noch mehr verlangen können, da knappes Gut (so funktioniert Kapitalismus, daher die Preisbindung um dies zu verhindern = Patienten/Verbraucherschutz)

Oder ein anders Beispiel:
Ein Patient benötigt ein dringendes Antibiotikum oder Asthmaspray im Notdienst.
Gemäß EuGH-Logik kann der Apotheker also den 2, 3, 4, x-fachen Preis statt üblich verlangen, da Versorgung außerhalb der Reihe!
Also "Friß, oder stirb!"

Das ist dann freie Marktwirtschaft, schön solange dies verhindert wird.
Mit dem Wegfall der Apotheken Vor-Ort und Konzentrationsprozessen wird dies aber so kommen!
Dann wird bestimmt das Geschrei so groß wie aktuell bei den Mieten.

Sehenden Auges in den Untergang!

Wer dies nicht glaubt, kann sich mal mit den Arzneimittelpreisen für Verbraucher in Schweden, Polen, Ungarn nach der Aufhebung des staatlichen Apothekenmonopols beschäftigen, also den vielgepriesenen Apothekenketten (lt. Krankenkassen und Monopolkommission wird dann ja alles so viel günstiger).
Die Preise sind teilweise um 100% angestiegen, daher ist man in Polen und Ungarn schon wieder zurückgerudert und hat massive Beschränkungen eingeführt.

In Israel ist selbiges passiert, nachdem Arzneimittel aus den Apotheken zum Verkauf in Tankstellen und anderen Läden freigegeben wurden.

Wer den Markt nicht versteht, sollte tunlichst die Finger von Änderungen bzgl. Liberalisierung lassen! (Ich denke da mal an Gesundheitsministerin Ulla Schmidt SPD 2004)
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