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Diskussion zur Petition 108191

Reformvorschläge in der Sozialversicherung

Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens vom 14.03.2020

Diskussionszweig: Versuch eines Fazits

Nutzer3294430 | 27.04.2020 - 22:13

Versuch eines Fazits

Anzahl der Antworten: 2

Am Ende von 30 Tagen Diskussion zu Gewährung eines "bedingungslosen Grundeinkommens" während der Phase der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie soll nun der Versuch eines Fazits stehen. Thesen sind:
a) die Petition ist Ausdruck der Kulmination von gesellschaftlichen Stressphänomenen bzw. Erwartungen aus der Bevölkerung in Zeiten gesellschaftlicher Veränderungen,
b) die Zulassung der Petition zur öffentlichen Diskussion war wichtig, um in eben diesen Zeiten Unsicherheiten und Fragen Ventil und Plattform zu geben.

Deutlich wurden im Diskurs die klassischen Dimensionen der "deutschen Kultur":
a) Streben nach Sicherheit (Stichwort "Existenzsicherung", finanzieller Grundstock, gewährleistet durch ein vom Staat eingerichtetes Grundeinkommen, die "German Angst"? - in Zeiten allgegenwärtiger globalisierter Krisen sowie mittelfristig zu erwartenden sozioökonomischen wie ökologischen Veränderungen),
b) Streben nach Individualismus (die eigene Person und das eigene Schicksal sowie die Erfüllung des eigenen Lebenstraums sind wichtiger als die Zukunft des Kollektivs; Verweise auf verstärktes Engagement im Ehrenamt dank finanzieller Unabhängigkeit hatten hierbei Alibifunktion, zu Verweisen ist auf das stark zum Ausdruck gebrachte pure Wunsch- und Anspruchsdenken in einer Vielzahl von Beiträgen gegenüber einem Ignorieren möglicher negativer Folgen einer jährlichen Umverteilung von bis zu 1,5 Billionen Euro),
c) Streben nach Universalismus (auch wenn "die Politik" bzw. "die Regierung" bzw. "die Bürokratie" schlecht sind und stets autoritär-paternalistisch gegen die Interessen der Bevölkerung handeln, so haben diese doch jetzt gefälligst den Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit zu erfüllen: letztendlich soll der Staat, die autoritäre Hierarchie die sicheren Rahmenumstände garantieren),
d) Streben nach Aufmerksamkeit und Belohnung (zwar soll die Honorierung des persönlichen Einsatzes streng monetaristisch-kapitalistisch mittels Geld erfolgen, tatsächlich geht es aber um die Honorierung des persönlichen Einsatzes angesichts vieler Veränderungen, Wirtschaftskrise, Flüchtlingskrise, Pandemiekrise, Sozialstaatskrise, und hierdurch zwangläufig bedingter Unsicherheiten: Ausbildung, Job, Familie, Alter, Genderrolle etc.),
e) Streben nach individueller Bedürfnisbefriedigung und Status (was allein mittels finanzieller Unabhängigkeit und Verringerung der finanziellen Distanz zur Mittel- und Oberschicht erreicht werden soll).

Im Verlauf der Mitzeichnungsfrist zeigte sich rasch:
a) die Petition erreichte ungewöhnlich rasch sehr viel Aufmerksamkeit und Unterstützung. Gefragt werden darf, wie viel Opportunismus bei den Mitzeichnungen eines Rolle spielte. Denn schließlich ist das Risiko für den Großteil der Bürgerinnen und Bürger gering, mittels eines "BGE" Nachteile zu haben, gegenüber vermeintlich vielfältigen Vorteilen. Die Belegung dieser sozialstaatlichen Leistung als "bedingungslos" garantierte eine Selbstkorruption von Teilen der großen Zielgruppe. Denn schließlich liegt das Finanzierungsrisiko beim vermeintlich anonymen "Staat".
b) die Diskussion verließ rasch den engen Rahmen, den das Petitionsanliegen gesteckt hatte: die Forderung eines staatlich garantierten zeitlich befristeten Grundeinkommens in Höhe von 1.000 Euro / Person / Monat zur finanziellen Milderung der Härten der Folgen der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie. Tatsächlich erfolgte ein Überbietungswettbewerb bis hin zu 1.500 Euro / Person / Monat, lebenslang, vermutlich steuer- und abgabenfrei. Nicht reflektiert wurde hierbei, dass dieser Betrag tatsächlich das gefühlte minimale Wohlstandsniveau reflektierte, welches die deutsche Gesellschaft aktuell aufweist.
c) im Verlauf der Diskussion ergab sich kein einheitliches Bild, was dieses "BGE" sein solle (außer wenigen Eckpunkten) und wer bezugsberechtigt sein solle (alle Menschen im Land, nur "Deutsche", nur Erwachsene etc.). Tatsächlich standen verschiedene, durchaus konträr zueinander stehende Konzepte und Terminologien in Konkurrenz zueinander. Kompromisse in Hinblick auf ein, "wie könnte die Einführung eines BGE tatsächlich gelingen, jetzt ist unsere Chance", wurden nicht unternommen. Die politische Entscheidungsgrundlage hat sich durch die Diskussion nicht gefestigt. Um so mehr ist das "BGE" also Symbol, als Chiffre für intrinsische Bedürfnisse und Unsicherheiten zu werten.
d) ähnlich war das Ergebnis bezüglich der Möglichkeit der Realisierung des Konzepts. Neben Wunschträumen, Utopien standen tatsächlich auch imaginäre Vorbilder aus Computer-Rollenspielen (ein neues Instrument politischer Bildung?) und Science-Fiction-Epen.
e) beharrlich ignoriert wurden kritische Nachfragen zu möglichen negativen Risiken: Inflationsrisiko durch Ankurbelung des kurzfristigen privaten Konsums anstelle von staatlichen Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Forschung, Inflationsrisiko durch künstliche Parallelwährungen, Klimarisiko aufgrund Ankurbelung des privaten Konsums, fehlender Beitrag zur Genderfrage der deutschen Gesellschaft, tatsächlich Risiko der Verhärtung von kulturell bedingten Benachteiligungen von Frauen und Kindern.
f) schlussendlich blieb die Diskussion bei einer kleinen Gruppe weniger Beteiligter. Die Beiträge waren, wie typisch für soziale Medien, geprägt von dysfunktionaler Kommunikation, Tribalismus, Verhärtung von Positionen ohne Kompromissbereitschaft. Natürlich war auch diese Diskussion belastet von Verschwörungstheorien, Echokammereffekten und ideologischer Verblendung. Hinzu kamen die üblichen "Bystander"-mobilisierungen: Obdachlose, Arme, Alte, Alleinerziehende als Argumente für die Gewährung der eigenen persönlichen finanziellen Unabhängigkeit mittels staatlich garantierter Zwangsumlage zu Lasten gefälligst anderer.

Für die Politik bietet sich im Diskussionsverlauf eine Fülle von Anschauungsmaterial:
a) die Bevölkerung wünscht sich gesellschaftliche Utopien, Hoffnung gebende Leitbilder, eben Orientierung in einer globalisierten, sich stetig verändernden Welt, insbesondere angesichts für jede, jeden fühlbaren Herausforderungen und Umbrüchen gegenüber den gesellschaftlichen Idealprägungen der Kindheit. Der gestrige Vorstoß von Herrn Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble kann ein wichtiger Impuls für einen fortgesetzten Dialog- und Ideenprozess werden. Diese Chance sollte im Wahlkampf zur nächsten Bundestagswahl aktiv aufgegriffen werden, z.B. durch Informationsveranstaltungen und Ideen-/Bürgerwerkstätten.
b) die Menschen im Land wünschen sich Aufmerksamkeit, mehr Dialog, mehr das Gefühl, wahrgenommen zu werden, mehr Lob (was schwierig für Deutsche ist). Politikerinnen und Politiker, gerade auf der lokalen Ebene, sollte daher vermehrt das Gespräch suchen, in den öffentlichen Räumen der Nachbarschaft wie im Internet. Selten war die Rolle der Parteien als Schnittstellen und Vermittler zwischen Legislative, Exekutive und Souverän wichtiger.
c) notwendig erscheint mehr Bürgeransprache, mehr aktive Informationsarbeit, mehr Erläuterung, aber auch mehr Wertschätzung, mehr Wahrnehmung in Partnerschaft und "gleicher Augenhöhe".
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grndnkmmn2020 | 27.04.2020 - 23:23

Nutzer3294430 wer ist das überhaupt, dass sich eine einzelne Person einbildet eine monatelange Diskussion, in welchem viele Bürgerinnen und Bürger ihre verarmten Schicksale im angeblichen Wohlstandsland und ihre Wünsche an ein Bedingungsloses Grundeinkommen geschildert haben, in ein paar Sätzen und vollkommen verzerrt zusammenzufassen?! Nee, so geht die Demokratie der vielen Stimmen sicher nicht. Veto!

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rupert1159 | 27.04.2020 - 23:03

Ach was:
Es gibt halt gesellschaftliche Gruppen,die nutzen jeden,aber auch wirklich jeden Anlass,um ihre eingenen Interessen und Dogmen den anderen aufzudrücken.
Man erkennt es u.a. an der Wortwahl , der Vehemenz/Penetranz der Diskutanten und der Unfähigkeit/Unwilligkeit zur argumentativen Diskussion.

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