Text der Petition
Mit der Petition wird gefordert:
Bürgerinnen und Bürger sollen für den Fall, dass sie möglicherweise einmal in ein Koma fallen, in dem man ihren Willen nicht mehr abfragen kann, frühzeitig im Leben festlegen müssen, ob und unter welchen Umständen aktive oder passive Sterbehilfe von wem mit welchen Methoden geleistet werden soll.
Begründung
Bürgerinnen und Bürger können in einen komatösen Zustand fallen, in dem man nicht mit ihnen kommunizieren kann.
Da sie möglicherweise den Inhalt von Gesetzen nicht kennen, könnte es sein, dass Inhalte von Gesetzen mit Bezug auf eine komatöse Lebenslage nicht dem Willen der Bürgerin bzw. des Bürgers entsprechen.
Daher möge der Gesetzgeber die Bürgerinnen bzw. Bürgern frühzeitig im Leben zwingen, ihren Willen i. S. einer Patientenverfügung auf einem dafür konzipierten Formular schriftlich festzulegen, so dass insbesondere auch die Frage beantwortet wird, für welchen physischen Zustand (z. B. definiert durch einen Zeitpunkt innerhalb eines Komas) sie ein Ableben durch eine aktive Sterbehilfe eines anderen Akteurs wünschen, ob sie eine passive Sterbehilfe wünschen, wer der Akteur sein soll, und welche Methode/n dieser benutzen soll.
Das Formular soll die zum Zeitpunkt der Verschriftlichung geltende Ansicht der jeweiligen Kirche, in der die Bürgerin bzw. der Bürger Mitglied ist, bzgl. einer aktiven und einer passiven Sterbehilfe deutlich machen, und darauf hinweisen, dass diese Ansicht im Laufe der Zeit Veränderungen unterliegen kann, sich also die Bürgerin bzw. der Bürger, sofern sie bzw. er der Ansicht der Kirche Bedeutung beimisst, regelmäßig neu informieren sollte. Das Formular soll abfragen, ob hinsichtlich aktiver oder passiver Sterbehilfe die Ansicht der Kirche maßgeblich sein kann, oder die Bürgerin bzw. der Bürger diesem Passus widerspricht.
Die Bürgerin bzw. der Bürger soll festlegen, ob für den Fall, dass sie bzw. er selber keinen Willen bzgl. aktiver oder passiver Sterbehilfe festlegt, die Ansicht der Kirche, enger Familienangehöriger, einer Person, die nicht der Familie angehört, oder eine vom Staat definierte Ansicht maßgeblich sein soll, und ob, sofern die Bürgerin bzw. der Bürger keine Kirchenmitglied ist, oder die Ansicht der betreffenden Kirche nicht bekannt ist, Angehörige, eine nicht der Familie angehörige Person, oder der Staat entscheiden sollen.
Für den Fall, dass die Bürgerin bzw. der Bürger selber keine Entscheidung für oder gegen aktive oder passive Sterbehilfe treffen kann, und keine Kirchenmitgliedschaft besteht oder die Ansicht der Kirche unbekannt ist, und die Bürgerin bzw. der Bürger keine Angehörigen und keine Person, die nicht der Familie angehört, entscheiden lassen möchte, und die Entscheidung auch nicht dem Staat überlassen möchte, möge der Gesetzgeber einen anderen Akteur als Entscheider im Formular benennen.
Leider hat er sich offenbar insbesondere mit den Regeln des deutschen Grundgesetzes nicht hinreichend auseinandergesetzt. Zwei Bestimmungen desselben sind hier von zentraler Bedeutung: Art. 1 Abs. 1: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.", und Art. 2 Abs. 1: "Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt."
Fangen wir mit der zuletzt genannten Bestimmung an: "Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit..." In die Sprache des Normalbürgers übersetzt heißt das (in Verbindung mit dem Rest des Satzes): Jeder hat das Recht, zu tun und zu lassen was er will, solange er damit nicht die Freiheit eines anderen, eben dies auch zu tun, beeinträchtigt. Und entscheidend in dieser Übersetzung ist nun das "zu lassen": Solange ich durch das, was ich nicht tue, niemand anderen in seinen Rechten beeinträchtige, habe ich auch das Recht, eben dies nicht zu tun. In der Juristensprache wird dies als "Autonomie" bezeichnet. Und dieses Freiheitsrecht folgt wiederum aus der zuerst genannten Bestimmung des Grundgesetzes, nämlich der vom Staat ohne Wenn und Aber zu gewährleistenden Menschenwürde. Wie weit diese Garantie gehen kann und wie schmerzlich sie für manche sein kann, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem "Sterbehilfe"-Urteil vom 26. Februar 2020 deutlich gemacht.
Auf diese Petition angewendet bedeutet dies ganz einfach: Das mit ihr verfolgte Anliegen ist mit der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, mit dem Grundgesetz, nicht vereinbar. Niemand anderes wird in seinen Grundrechten verletzt, wenn die von dem Petenten begehrte Verpflichtung nicht erfüllt wird, wohl aber die Grundrechte der Person, der er diese Verpflichtung auferlegen möchte. Das in dem erwähnten Verfassungsgerichts-Urteil ausführlich behandelte Recht auf Autonomie und die aus der Menschenwürde folgende Verpflichtung des Staates, dieses Recht zu schützen, lässt ein Handeln des Staates, wie der Petent es vorschlägt, schlicht nicht zu. Der staatlichen Gewalt in Deutschland steht kein Recht zu, einen Bürger zu derartigem Handeln zu zwingen. HInzu kommt noch, dass er in einem Umfang Einzelheiten der zu erlassenden Regelung vorschlägt, die ebenfalls nicht mit den im Grundgesetz garantierten Freiheitsrechten vereinbar sind.
Dem Petenten wäre zu empfehlen, sich das erwähnte Verfassungsgerichts-Urteil bzw, eine Zusammenfassung desselben anzusehen, um die vorstehenden Ausführungen besser nachvollziehen zu können.