Herzlich Willkommen auf den Internetseiten des Petitionsausschusses des deutschen Bundestages. Jedermann hat die Möglichkeit, Bitten oder Beschwerden an den Deutschen Bundestag zu richten.

Um direkt zu entsprechenden Bereichen zu springen verwenden Sie die Sprungmarken wie folgt:

Auf dem Bild sehen Sie ...

Diskussion zur Petition 116046

Klimaschutz

Einberufung von einem bundesweiten Bürgerrat zur Klimapolitik vom 16.09.2020

Diskussionszweig: Versuch eines Fazits

Nutzer3294430 | 17.12.2020 - 23:21

Versuch eines Fazits

Anzahl der Antworten: 0

Kurz vor Ende der Diskussion zu dieser Petition der Versuch eines Fazits.

1) Der Antrag und die Beiträge der Befürwortenden dieses Antrags scheinen getrieben von der Annahme einer "es ist bereits jenseits fünf vor zwölf"-Gemengelage. Der Antrag reiht sich damit ein in eine nun fast 48 Jahre alte Tradition. Der menschengemachte Klimawandel ist wissenschaftlich erwiesen und erwiesen ist auch, dass sich die Manifestationen dieses Phänomens weltweit zunehmend durch Extremwetterereignisse sowie Veränderungen in der Ökosphäre abzeichnen. Immanenter Handlungs- und Entscheidungsbedarf ist gegeben. Allerdings sind dabei die hochkomplexen systemischen Wirkgefüge wie die zu schaffende Balance zwischen den Belangen der Ökosphäre, der Gesellschaft und Wirtschaft zu berücksichtigen. Hier waren die in den Beiträgen der Befürwortenden vermittelten Bilder stark schematisch, vereinfacht bzw. romantisierend naiv.
Besonders Merkmal dieser Diskussion war aber der Grad an Emotionalisierung und messianischem Geist im Einsatz um die Sache. Dieser besondere Grad an Emotionalisierung ist mitzudenken, wenn über die Realisierung dieses Petitionsanliegens entschieden wird. Denn diese Emotionalisierung bedeutet eine Erwartungshaltung, eine präjudizierte Einengung der erwarteten Beiträge des Bürgerrats. Erkennbar wurde: der Bürgerrat soll mit seinen Beschlüssen die entscheidende Bewegung in Beschlüsse und Maßnahmen zur Prävention der gravierendsten Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels bringen. Ergo: die Ergebnisse des Bürgerrats werden damit in vielen Beiträgen als bereits zwangsläufig vorgegeben vorausgesetzt, der Bürgerrat ist somit nichts mehr als ein gefälligst zu funktionierendes Instrument der Kampagnenarbeit der befürwortenden zivilgesellschaftlichen Organisationen.

2) Petition und vor allem der Diskussionsverlauf zeigten ein bemerkenswertes Misstrauen in die Unabhängigkeit und Ernsthaftigkeit der großen demokratischen Parteien, des demokratischen Parlamentarismus und die Fundiertheit wie das Verantwortungsbewusstseins der Debatten, Sacharbeit und der Entscheidungen des Deutschen Bundestags wie der Bundesregierung auf. Reihenweise steht der Verdacht eines omnipotenten wie im Verborgenen wirkenden Lobbyismus großer (ungenannter) Konzerne, ergo eines Korruptionsvorbehalts bei der Bewertung der Ergebnisse der parlamentarischen Arbeit. Reihenweise wird die Repräsentativität der demokratisch gewählten Volksvertretungen angezweifelt, u.a. mit der Begründung, es seien zu viele Akademikerinnen und Akademiker in den Parlamenten vertreten. Das Wissen um die politische Arbeit und die Arbeit der Parlamente blieb dabei auf Seiten der Befürwortenden überraschend oberflächlich. Authentizität und Vertrauen in Beschlüsse solle aber dagegen nur ein Abbild der Gesellschaft schaffen. Altbackene Schlagworte wie die Heranziehung eines Fraktionszwangs als Kritik im Grundsatz runden die präsentierten Frames ab. Lösung all dessen soll eine per Losentscheid unabhängige Bürgervertretung namens Bürgerrat sein. Ob dieses Gremium nun beratenden Charakter haben soll oder aber dem Bundestag weisungsberechtigt sein soll, dies blieb in der Diskussion ungeklärt. Spannend war, dass die Vorurteile gegenüber dem demokratischen Parlamentarismus in weiten Teilen der Gesellschaft tief verwurzelt zu sein scheinen. Hier kann erneut eine wichtige Aufgabenstellung für die Öffentlichkeitsarbeit bzw. Bürgerkommunikation der Bundesregierung wie der Arbeit der politischen Bildung seitens der demokratischen Parteien gefunden werden.

3) Weiteres Leitthema der Beiträge in der Diskussion war zudem Elitenkritik, Kritik am Establishment. Auch hier waren Motive von Verschwörungserzählungen erkennbar. Beiträge, die aufzeigten, wie man selbst als Rollenmodell auftreten kann, wie auch im Wohlstand der Bundesrepublik Deutschland ein Lebensstil mit geringem Ressourcenverbrauch, mit kleinem "ökologischen Fußabdruck" möglich ist, blieben rar. Einschränkungen, Verzicht, Abgeben wurde dagegen stets von "denen da oben" eingefordert. Aktiv werden sollen daher die sogenannten Eliten, weniger die Befürwortenden dieser Petition.

4) Die Befürwortungen der Petition blieben in der Regel auf Phrasen und Versprechen beschränkt. Nachweise zur Begründung der Heilsversprechen (z.B. ein Bürgerrat führt zu einer Stärkung der Demokratie im Land) fehlten regelmäßig, auch auf Nachfrage. Auch die Verweise auf vergleichbare Präzedenzfälle in Frankreich oder Irland waren wenig hilfreich. Da die Petition das Quorum deutlich erreicht hat, was die Wirksamkeit der Kampagnenarbeit der zahlreichen Organisationen aufweist, welche die Petition unterstützen, wird die öffentliche Fragestunde im Petitionsausschuss sicherlich besonders spannend werden.

Ansonsten verweise ich auf meinen Beitrag vom 01.12.2020, 23:35 Uhr, Diskussionszweig: "Unsere Demokratie muss bei der Klimakrise völlig neu gestaltet werden!"
1