Text der Petition
Mit der Petition wird gefordert, dass Anbieter von Produkten oder Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, deren Natur das Vorhandensein eines Smartphones nicht technisch zwingend erfordert, dies nicht willkürlich zur Voraussetzung machen, und Nichtbesitzer als Kunden ausschließen dürfen.
Begründung
Die Anschaffung eines Smartphones muss unter allen Umständen die individuelle und freie Entscheidung jedes einzelnen bleiben. Dies darf auch nicht durch indirekten Zwang kompromittiert werden, indem man beispielsweise dazu genötigt wird, ein solches Gerät zu besitzen, um das Ergebnis eines PCR-Tests zeitnah mitgeteilt zu bekommen (dies wäre technisch genauso gut über "althergebrachte" Wege wie eine SMS-Kurznachricht möglich), oder um unterwegs sein Elektroauto an einer öffentlichen Ladesäule zu betanken (dies ist an vielen Ladesäulen nur per App möglich, und bei den wenigen, an denen die Bezahlung auch per Kundenkarte möglich ist, wird das ganze ad Absurdum geführt, wenn man gezwungen ist, diese Karte zuvor per App zu aktivieren).
Ebenso absurd ist die Einführung eines Digitalen Impfpasses, mit dem z. B. das Flughafenpersonal per flüchtigem Blick auf einen statischen Bildschirminhalt den Zutritt gewähren oder verweigern soll. Einfacher zu fälschen geht es wohl nicht (und ein maschinenlesbarer QR-Code zur automatischen Verifizierung kann ebenso gut auf einem Stück Papier dargereicht werden).
Neue Technologien als zusätzliche, evtl. vorteilhafte Möglichkeit einzubinden ist durchaus begrüßenswert, aber man sollte sich nicht ohne Not in die völlige Abhängigkeit von zwei ausländischen, de facto den Markt beherrschenden, privaten Unternehmen begeben, und Menschen, die es vorziehen, sich nicht von diesen auf Schritt und Tritt verfolgen zu lassen, von wichtigen Aspekten des gesellschaftlichen Lebens ausschließen.
Die "Digitale Selbstbestimmung" jeder einzelner Person ist von enormer Wichtigkeit für eine geistig freie und moralisch gesunde Gesellschaft. Verstehen wird man diese Aussage erst, wenn man sich etwas tiefer mit der Materie beschäftigt, als mal bequem eine Pizza online zu bestellen und das dann ganz toll zu finden.
Emotionslos betrachtet sind Smartphones mobile Datenerfassungs- und Ausgabegeräte mit Anbindung an ein globales Netzwerk. Aus diesem Netzwerk werden Daten entnommen bzw. übermittelt. Der reale Einfluss des Nutzers auf diese Vorgänge endet an dem Punkt, an dem die Personifizierung erfolgt - mit dem einlegen und aktivieren der SIM-Karte. Alles Weitere regeln Algorithmen in den Computerprogrammen, welche jedoch nicht der Nutzer geschrieben hat bzw. diese in der Regel auch nicht kennt und noch weniger versteht.
Das deaktivieren von Optionen, z.B. Mikrofon, Kamera, Ortungssystem etc. suggeriert dem Nutzer nur augenscheinlich Kontrolle über seine Privatsphäre. "Einem Menschen kann man nicht in den Kopf schauen" heißt es in einem alten Sprichwort. Ich kann zwar die freundlichen Worte meines Gesprächspartners hören, aber nicht erkennen, ob er auch so denkt und handelt. Bei einem digitalen Endgerät ist das noch weniger der Fall. Offline-gehen verschafft bestenfalls eine temporäre Sicherheit. Die Daten werden weiter gesammelt und beim nächsten online-Kontakt übermittelt. Selbst das Ausschalten des Gerätes bedeutet nicht, dass gewisse Funktionen nicht mehr aktiv sind. Daten können akquiriert und beim nächsten Einschalten übermittelt werden.
Im Gegensatz zum früheren Fernsehen oder zum klassischen Rundfunk erfolgt über das Internet eine bidirektionale Datenübermittlung. Der Nutzer am Endgerät hat den wenigsten Einfluss über Inhalt, Menge und Nutzung bzw. Missbrauch dieser Informationen.
Abgesehen von eher harmlosen Ergebnissen dieser Machenschaften wie personalisierte Werbung sind Persönlichkeitsprofile, die unbemerkt und für den Nutzer und selbst nicht zugänglich erstellt werden. Je nach Verwendung dieser Profile, können für den Einzelnen gravierende Nachteile im Leben entstehen. Das kann die Jobsuche betreffen, die Einstufung der Kreditwürdigkeit, die Auffindbarkeit in Suchmaschinen etc.
Die Verharmlosung all dieser Vorgänge fängt schon bei einer scheinbar banalen Sache an. Für "Computerprogramm" wurde die Bezeichnung "App" von den Anbietern etabliert. Das hört sich unbedrohlich an und kann übrigens schon ein Baby mit den ersten Lauten wiedergeben. Die Masse hat es geschluckt.
Hier würde ein weiteres wichtiges Thema beginnen – Die manipulierende Wirkung der MMIs (in diesem Fall "Maschine-Mensch-Interface") auf den Einzelnen und der Gesellschaft. Aber das sprengt hier den Rahmen.
Überschrift passt nicht zum Text?
Bis jetzt nicht - das haben Sie richtig erkannt. Viele Reaktionen in dieser Diskussion erinnern mich an Raucher, denen man das Rauchen untersagen möchte oder an Junkies, denen man ihren Joint wegnehmen will. Ich verstehe den Einreicher der Petition nicht so. Diese Petition will meines Erachtens nach niemandem etwas wegnehmen - ganz im Gegenteil – sondern allen etwas geben: Die Digitale Selbstbestimmung. Und von diesem Recht profitieren auch diejenigen, die sich (im Moment) noch keine Sorgen darum Machen.
Klaus Kinner