
Diskussion zur Petition 146575
Kinderschutz
Einführung einer "unabhängigen Kommission Kinderverschickung" vom 21.02.2023
Diskussionszweig: Belege zur Petition: Kinderschutz - Einführung einer "unabhängigen Kommission Kinderverschickung"
Belege für die Notwendigkeit der Einrichtung solch einer Kommission sind zum Beispiel die Dimensionen der Kinderverschickung, die wir ermittelt haben, damit wird deutlich, dass das Phänomen kein Einzelschicksal, sondern ein Massenphänomen und damit ein gesellschaftliches Unrecht war, für das damals Bund, Länder und Trägerinstitutionen gemeinsam die Verantwortung trugen. Deshalb wünschen wir uns, genau wie andere Opfergruppen, die gesellschaftlich zu verantwortendes Unrecht erlitten haben, auch eine gesellschaftliche Aufarbeitung mit aktiver Verantwortungsübernahme. Die Dimensionen überstiegen jedes Ausmaß. Die Einrichtungen lagen meist dicht gedrängt in Kurorten. Erste Zahlen fanden sich im Bericht der Bundesregierung 1965: Für das Jahr 1963 gab es „839 Kur-, Heil-, Genesungs- und Erholungsheime für Minderjährige“, mit einer Bettenkapazität von zusammen: 56.608 Betten. 43% davon in privater Trägerschaft. Da es in den Heimen zu sieben bis acht Kinderkuren pro Jahr kam (u.a. detaillierter Beleg im Pfarrarchiv Borkum sogar über Heimzeiten von 1934 -1994), summieren sich diese Zahlen auf 396.256 Kinderverschickungen im Jahr 1963.
Aus unseren schon durch Fragebögen ermittelten Daten haben wir einen Boom von mindestens über 30 Jahre herausgefunden (1950-1980), schon allein für 10 Jahre, kommt auf 3.962.560 Plätze. Davon ausgehend hochgerechnet ergibt sich die bisherige Schätzzahl an der Untergrenze von mindestens 8 Millionen, da sich ein- und ausschleichend aber die Verschickung über mindestens 40 Jahre hinzog, kann man von gut 10 Millionen Betroffenen ausgehen.
Nach Auszählung in einem historischen Fachbuch (Sepp Follberth, 1964) ergaben sich 1143 Einrichtungen. Neueste Recherchen in Heimort- und Landesgruppen unserer Initiative haben noch höhere Zahlen ermittelt. Unsere bisherigen Schätzungen gehen von den niedrigsten Zahlen aus, die im Bericht der Bundesrepublik 1965 genannt werden: 839 Kindererholungsheime und -Heilstätten zwecks 6-wöchigem Kuraufenthalt. Es waren alle Bundesländer, die, aus denen die Kinder verschickt wurden, (Entsendestellen) und die, in die die Kinder verschickt wurden ( Kur- und Bäderorte), der Bund (durch Gesetze und Zuschüsse), und sämtliche Träger der Wohlfahrt, ( durch Finanzierung, Gewinn und Werbung) an den Kinderverschickungen beteiligt. So müssen sie heute auch gleichermaßen Verantwortung für das damals den Klein- und oftmals Vorschulkindern, institutionell zugefügte Leid übernehmen.
mit freundlichen Grüßen
Anja Röhl