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Diskussion zur Petition 154313

Inklusion und Teilhabe

Vorübergehende Finanzierung der Grundbeträge in Werkstätten für Menschen mit Behinderung aus öffentlichen Mitteln vom 24.07.2023

Diskussionszweig: Vorübergehende Finanzierung der Grundbeträge in Werkstätten für Menschen mit Behinderung aus öffentlichen Mitteln

Nutzer621931 | 09.08.2023 - 10:10

Vorübergehende Finanzierung der Grundbeträge in Werkstätten für Menschen mit Behinderung aus öffentlichen Mitteln

Anzahl der Antworten: 4

Die WfbM sind ein sehr schwieriges Thema.

Zunächst einmal: Ja, auch Menschen mit Behinderung müssen sozial abgesichert sein und das auch, wenn ALG-I und Insolvenzgeld nicht greifen.

Beim Sonderfall WfbM gibt es zwei gegensätzliche Dinge zu beachten:

Einerseits sind die Werkstätten Gewerbebetriebe, die mit zahlreichen gesetzlichen Sonderregelungen am Markt agieren und stark verbilligte Arbeitskräfte bereitstellen. In dieser Hinsicht gibt es keinen Grund, warum sie ihren Beschäftigten weniger als den Mindestlohn bezahlen dürfen. Wie in jedem anderen Beschäftigungsverhältnis darf das Risiko einer schlechten Auftragslage auch nur begrenzt an die abhängigen Beschäftigten weitergegeben werden, d.h. das Grundgehalt muss immer bezahlt werden und kann durch auftragsbezogene Zuschläge erhöht werden, wie z.B. "normale" Unternehmen auch Zuschläge für Nacht- und Wochenarbeit oder Provisionsanteile im Gehalt zahlen.

Andererseits ist die Arbeitsleitung eines - meines Wissens nach bisher nicht statistisch erfassten - Teils der Beschäftigten nicht mit durchschnittlichen Arbeitnehmern vergleichbar. Zur Betreuung der Arbeitskräfte ist ein zusätzliches, über das normale Maß hinausgehendes Personal notwendig, welches ebenfalls von den erwirtschafteten Umsätzen bezahlt werden muss. Die Beschäftigten reduzieren mit dem Arbeitsentgelt in der Regel nur die staatlichen Sozialleistungen, so dass eine Sonderregel gegenüber dem Mindestlohn gerechtfertigt ist.

Insgesamt lehne ich die Petition ab, weil sie das bestehende Dilemma zementiert. Es gibt keinen Grund, wirtschaftlich nicht überlebensfähige Betriebe künstlich am Leben zu halten.
Statt dessen schlage ich vor:
1. Arbeitnehmer in WfbM erhalten Anspruch auf Arbeitslosen- und Insolvenzgeld. Auf Grund der kleinen Beträge - durchschnittlich 220 Euro Gehalt pro Monat - und der daraus resultierenden außergewöhnlichen Härte für die Betroffenen sollten beide Leistungen 100% des bisherigen Lohns umfassen. Wegen der wenigen erwartbaren Fälle kann die Beitragsfreiheit bestehen bleiben. Kurz: Im Gesamtbudget sehr wenig Aufwand für die Steuerkasse, aber für die einzelnen Betroffenen ein immenser Unterschied.
2. Sachbearbeiter bekommen bei der Bearbeitung der Anträge auf ALG-I mehr Ermessensspielraum um die jeweilige Behinderung zu berücksichtigen. Ein Mensch mit geistiger Behinderung kann u.U. ein Formular nicht vollständig richtig ausfüllen, aber wenn am Endergebnis kein Zweifel besteht, muss der Antrag trotzdem zum Erfolg führen.
3. Mehr Anstrengungen und Möglichkeiten, Menschen mit Behinderung in reguläre Beschäftigungsverhältnisse am ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Ein Teil der WfbM-Arbeiter kann durchaus ein normales Gehalt erwirtschaften. Diese Menschen werden von den WfbM gehalten, weil sie dort viel Leistung für wenig Lohn erwirtschaften. Mit einem "normalen Job" reduzieren sie ihre Abhängigkeit von Sozialleistungen und erhöhen ihren persönlichen Lebensstandard.

Dann bleiben für WfbM zwei Aufgabenbereiche, in denen sie absolut sinnvoll sind:
a) Durchgangsstation in den ersten Arbeitsmarkt
b) Arbeitsplatz für Menschen, die weder im ersten Arbeitsmarkt noch in Tagesförderstätten am richtigen Platz sind
In diesem Fall ist die öffentliche Förderung von WfbM auch absolut sinnvoll und wünschenswert.
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