Text der Petition
Mit der Petition wird die Beibehaltung der gesetzlichen Erstattungsregelung für homöopathische und anthroposophische Arzneimittel sowie homöopathische Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung gefordert, um allen Patienten unabhängig von ihrem Geldbeutel den Zugang zu diesen nebenwirkungsarmen Therapien zu ermöglichen. Die angekündigten Regelungen zur Änderung des § 11 Abs.6 SGB V im Rahmen des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) sollten verworfen werden.
Begründung
1. Homöopathische und anthroposophische Verfahren und Arzneimittel sind beliebt und ausdrücklich erwünscht. Diese Methoden werden nach einer aktuellen Allensbach Umfrage (2023) von rund 70 Prozent der Bevölkerung in Deutschland geschätzt und genutzt. Ein Bürgergutachten des Nexus-Institutes 2019 unterstreicht dies und formuliert die klare Erwartung der Beteiligten, diese Leistungen selbstverständlich weiter gesetzlich zu erstatten.
2. Satzungsleistungen werden ausschließlich aus den Eigenmitteln der jeweiligen Krankenkasse finanziert. Versicherte, die diese Methoden nicht favorisieren, haben bereits die Option, in eine gesetzliche Krankenkasse zu wechseln, die andere Leistungen erstattet. Das Recht zur freien Methodenwahl sollte uneingeschränkt für alle Versicherten erhalten bleiben.
3. Der vorgeschlagene Ausschluss von homöopathischen und anthroposophischen Arzneimitteln und homöopathischen Verfahren als Satzungsleistung ist eine Diskriminierung. Diese Ungleichbehandlung würde vor allem chronisch Kranke, wirtschaftlich schlechter Gestellte und Frauen treffen. Zahlreiche andere Leistungen und Arzneimittel können hingegen weiter erstattet werden, obwohl sie kaum evaluiert sind.
4. Homöopathie und Anthroposophische Medizin haben sich der evidenzbasierten Medizin verpflichtet. Ein umfassender Review von Metaanalysen hochwertiger Studien zur Homöopathie aus dem Jahr 2023 zeigte ein deutlich positives Ergebnis. In der Grundlagenforschung konnte nachgewiesen werden, dass homöopathische Arzneimittel spezifische Wirkungen zeigen, die sich von Placebo unterscheiden, wenn sie adäquat eingesetzt werden. Ein Health Technology Assessment (HTA) von 2006 mit Update in 2011 sowie zahlreiche publizierte Metaanalysen, systematische Reviews sowie Real-World-Daten belegen die Wirksamkeit verschiedener anthroposophischer Therapien. Im Jahr 2023 wurden zudem Standards der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für die Ausbildung in Anthroposophischer Medizin veröffentlicht.
5. Homöopathie und Anthroposophische Medizin hilft, Kosten zu senken: Diverse Studien kommen zu dem Ergebnis, dass diese Verfahren, über einen längeren Zeitraum angewandt, kostengünstiger sind als konventionelle Methoden. Eine Streichung der Satzungsleistungen für diese Methoden würde voraussichtlich zur Verordnung teurerer Ersatzmaßnahmen und damit zu Kostensteigerungen führen.
Fazit: Die Streichung der Satzungsleistungen für homöopathische und anthroposophische Arzneimittel und homöopathische Verfahren ist weder wissenschaftlich adäquat begründet noch zielführend. Das Versprechen der Kostensenkung wird nicht eingelöst. Gesetzliche Eingriffe dieser Art sollten an die Ergebnisse von wissenschaftlich begleiteten Modellvorhaben im Versorgungskontext geknüpft werden. Neben anderen komplementären Verfahren müssen diese Methoden daher im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung verfügbar und erstattungsfähig bleiben.
Substanzielle Einwände gegen die Ergebnisse habe ich bisher nicht gelesen.
Die Autoren kommentieren einen Beitrag des Homöopathie-kritischen Informationsnetzwerks Homöopathie zu diesem Review wie folgt:
Harald J. Hamre, Klaus von Ammon, Anja Glockmann, Helmut Kiene
20.02.2024
Im Oktober 2023 publizierten wir ein systematisches Review (SR) zu Meta-Analysen von Placebo-kontrollierten randomisierten Homöopathiestudien für jegliche Indikation [1]. Das Ergebnis zeigte eine positive Gesamtevidenz für Wirksamkeit der Homöopathie über Placebo hinaus.
Bei der offenen Begutachtung in der renommierten Fachzeitschrift Systematic Reviews wurde kommentiert: „This is an extremely detailed and well written systematic review of meta-analyses of trials in homeopathy“ (ReviewerReport_V0_R2) und “The author's research is rigorous and has strong data analysis skills” (ReviewerReport_V0_R1). Die Gutachter hatten in Hinblick auf die Haupt-Aspekte des Reviews (Objective, Design, Execution, Statistics, Interpretation, Overall manuscript potential) keinen einzigen Einwand, wir mussten lediglich Texte aus dem Hauptdokument in Additional Files verschieben.
Das Informationsnetzwerk Homöopathie (INH) versucht nun, polemische Kritik gegen das SR vorzubringen („Quark“, „Heuhaufen“, „Daten-Sibirsk“, „Nebel“, „Strafkolonie“, „Rosinenpicken“ u.v.m.) [2]. Jeder der fünf vorgebrachten Kritikpunkte beruht aber auf Unkenntnis bzw. Fehleinschätzung der Methodik unseres SRs:
1. „Rosinenpicken“ beim Einschluss der Meta-Analysen? – Falsch
Systematische Reviews (SR) sollen eine Datensynthese enthalten. Für SRs zu klinischen Studien ohne Meta-Analysen werden die Ergebnisse der einzelnen Studien tabellarisch zusammengestellt, die Datensynthese lautet etwa „X von Y Studien zeigten eine signifikante Überlegenheit von A im Vergleich zu B“. Für SRs mit Meta-Analysen gibt es außerdem eine zusammenfassende Effektschätzung. Diese ist aussagekräftiger als „X von Y“, weil Fallzahl, Effektgröße und Streuung der Einzelstudien berücksichtigt werden.
Unsere erste Forschungsfrage ([1], Seite 2) war: Hat Homöopathie positive Effekte über Placebo hinaus? Für diese Fragestellung sind zusammenfassende Effektschätzungen von Placebo-kontrollierten randomisierten Studien die sicherste Grundlage. Wir haben uns deshalb auf diesbezügliche Meta-Analysen beschränkt. INH versucht zu kritisieren, dass wir fünf andere systematische Reviews [3]nicht aufgenommen haben; dies sei „Rosinenpicken“ und werde „nicht erläutert“. Das ist falsch: Von diesen fünf SRs sind drei ([4-6]) keine Meta-Analysen und zwei SRs mit Meta-Analysen betreffen nur Studien ohne Placebo-Kontrollgruppen ([7, 8]). Daher erfüllten diese fünf SRs unsere Aufnahmekriterien nicht (vgl. [1] Tabelle 1), was INH anscheinend nicht versteht.
2. „Multiplikationsergebnis“ bei den Analysen? – Falsch
INH glaubt irrtümlich, wir hätten eine neue zusammenfassende Effektschätzung der Studien der sechs Meta-Analysen mit „[Auswertung der] Einzelstudien“ durchgeführt und fantasiert von einem „schwerwiegenden methodischen Fehler“ mit einem „Multiplikationsergebnis“, was es aber nicht gab:
Unser SR zu den 6 Meta-Analysen enthält keine Meta-Analyse, wir haben keine neuen zusammenfassenden Effektschätzungen vorgenommen, sondern die Ergebnisse der einzelnen Meta-Analysen tabellarisch zusammengestellt. Dementsprechend lautete unsere Datensynthese, analog zu Pkt. 1, „X von Y Meta-Analysen zeigten eine signifikante Überlegenheit von Homöopathie im Vergleich zu Placebo“. Bei Einbezug aller Studien in jeder Meta-Analyse waren es 5 von 5 Meta-Analysen, bei Beschränkung auf Studien von höherer methodischer Qualität waren es 3 von 4 Meta-Analysen. Die Methodik besteht aus Klassifizierung (Überlegenheit ja/nein + Signifikanz ja/nein), Addition („X“) und Division („von Y“).
3. „Enthält [das systematische Review] nichts Neues“? – Doch, ganz viel
INH meint fälschlicherweise, unser SR „enthält nichts Neues, sondern es werden lediglich schon längst abgehakte Untersuchungen wiedergekäut.“ Dies ist jedoch die überhaupt erste Zusammenschau der 6 Meta-Analysen mit Kriterien-basierter Bewertung in einem SR nach heutigen Standards:
Inhalt und Struktur eines SR sind durch den PRISMA-Standard (Preferred Reporting Items for Systematic Reviews and Meta-Analyses) vorgegeben. Unser vorab registriertes (PROSPERO CRD209661) Analyseprotokoll [9] richtet sich nach dem PRISMA-P-Standard [10], mit Registrierung in PROSPERO. Die PRISMA-2020-Checkliste [11] listet 28 Themen mit 42 Detailpunkten auf, die in der Publikation unseres SR [1] der Reihe nach behandelt werden.
Zu einem SR gehört eine Bewertung der methodischen Qualität bzw. des Verzerrungsrisikos der eingeschlossenen Primärarbeiten (hier der sechs Meta-Analysen). Hierfür haben wir ROBIS (Risk Of Bias In Systematic reviews) mit 29 Bewertungen [12] verwendet, ergänzt durch drei Bewertungen aus AMSTAR-2 (A MeaSurement Tool to Assess systematic Reviews [13]). Ergebnisse sind in Tabelle 10 (ROBIS) und Tabelle 11 (AMSTAR) zusammengefasst; detaillierte Begründungen für die ROBIS-Bewertungen im Additional File 1.
Ein zentraler Bestandteil eines kompletten SR ist die Bewertung der Qualität der Gesamtevidenz (nach GRADE, mehr dazu unter Pkt. 4 unten).
Es wird heute empfohlen (PRISMA, Pkt. 27), alle erhobenen Daten zu veröffentlichen, damit nichts den Lesern vorenthalten wird und kundige Leser sehen können, worauf die Analysen und Schlussfolgerungen beruhen [14]. Dem sind wir nachgekommen.
INH scheint diese Standards nicht zu kennen und zu verstehen. Man vermisst eine Darstellung „wofür diese Erhebungen relevant sein sollen, oder was man damit belegen will.“ Daher sei die Lektüre der langen Arbeit „Arbeit für eine Strafkolonie“. Die Länge ergibt sich aus der Befolgung der genannten Standards und ist für SRs und die hierauf spezialisierte Zeitschrift Systematic Reviews nicht unüblich.
4. „Fehlt… ein critical appraisal“? Nein, keineswegs
INH bemängelt das vermeintliche Fehlen „eine[r] kritische[n] Bewertung der gefundenen Ergebnisse, ein critical appraisal, wie Cochrane das nennt, das Kernelement zusammenfassender Betrachtungen.“
Falsch: Diese Bewertung („Confidence in cumulative evidence“ genannt) wird in unserem SR auf S. 20 kurz referiert und in Additional File 3 detailliert dargestellt. Für solche Bewertungen sind die Empfehlungen der GRADE-Gruppe (Grading of Recommendations Assessment, Development and Evaluation) maßgebend [15]. Von den mittlerweile über 20 Publikationen der GRADE-Gruppe waren für unsere o.g. Fragestellung sechs Publikationen zu je einem Thema im Fokus: Risk of bias of individual trials [16], Inconsistency/heterogeneity [17], Risk of publication bias/small study bias [18], Imprecision [19], Indirectness [20] und Occasions for rating up the quality of evidence [21].
5. Sind Kommentare der Autoren der Meta-Analysen über Studienqualität relevant? Nein
Beim Thema Risk of bias of individual trials, also Verzerrungsrisiko bzw. umgekehrt ausgedrückt: methodische Qualität der Studien, verrät das INH einen Mangel an Kenntnissen. Das INH glaubt, für eine solche Bewertung wären die Kommentare der Autoren der zu bewertenden Arbeiten (hier: der Meta-Analysen) über die Studienqualität relevant, und bemängelt die „durchweg hervorgehobene schlechte Qualität der Studien“.
Jedoch sind zusammenfassenden Kommentare der Autoren der jeweiligen Meta-Analysen zur Studienqualität subjektiv, Kontext-abhängig und hier nicht relevant, weil es zuverlässigeres Material gibt:
Wichtig ist die technische Erhebung der Studienqualität (u.a. wie viele und welche Kriterien? vgl. [1] Tabelle 5) und ihre Einstufung (Tabelle 8) durch die Autoren der jeweiligen Meta-Analyse. Hinzu kommen die Effektschätzungen bei den jeweiligen Untergruppen von Studien mit höherer Qualität (Pkt. 2), einschließlich Effektgrößen, Signifikanz und statistischen Streuungen. Alle diese Daten sind sodann in unsere Bewertung der Qualität der Gesamtevidenz (Pkt. 4) mit eingeflossen.
Um diese Qualitätsbewertungen im Kontext der gegenwärtigen klinischen Forschung einzuordnen, können sie mit Bewertungen anderer Studien oder Reviews verglichen werden, sofern die Bewertungen anhand derselben Instrumente vorgenommen wurden. Bei solchen Vergleichen von methodischer Studienqualität ([1] S. 13) bzw. Qualität der Gesamtevidenz ([1] S. 22) hat die Homöopathie teils ähnlich, teils besser abgeschnitten.
Schlussfolgerung
Das INH, ein „Zusammenschluss von über 60 Experten“, will über „wissenschaftlich belegten Fakten“ informieren [22]. Bezüglich der Methodik von Meta-Analysen und SRs hierzu verrät jedoch das INH wiederholt mangelhafte bis fehlende Kenntnisse. Der INH-Text bleibt (mit Shakespeare) “full of sound and fury — signifying nothing”.
Diese traurige Bilanz kommt nicht ganz überraschend: Bei einem SR zu Homöopathie mit einer INH-Sprecherin als Letztautorin [23] gab es keine formulierte Forschungsfrage, kein verfügbares Analyseprotokoll, keine sichtliche Orientierung an PRISMA, keine Datensynthese und keine Kriterien-basierte Bewertung der Qualität der Gesamtevidenz. — Gemessen an diesen Texten scheint das Informationsnetzwerk Homöopathie unfähig, zuverlässige wissenschaftsbasierte Informationen über Homöopathie zu liefern.
Quelle und Referenzen hier:
https://www.ifaemm.de/homoopathie/hom-richtigstellung/
und hier:
https://netzwerk-homoeopathie.info/im-datennebel-ein-neuer-review-zur-homoeopathie/
Nutzer5105823 | 07.03.2024 - 23:40
Das Systematische Review enthält ganz viel Neues, und zwar eine sehr strenge Analyse der 6 Meta-Analysen homöopathischer RCTs nach den geforderten Kriterien der Cochrane Collaboration. Das Ergebnis: Homöopathie hat in RCTs einen spezifischen Effekt, der nicht allein durch Placebo erklärbar ist. Das ist sehr überzeugend!
weils einfach stimmt | 07.03.2024 - 22:58
Ist ja auch eher kein Wunder, dass das INH mit vertieften Aussagen zu Medizin und Homöopathie leicht überfordert ist. Die Hauptmacher dort geben als berufliche Professionen an, Maschinenbauer oder Städt. Oberverwaltungsräte a.D. zu sein, und im Unterstützerkreis tummeln sich eine Menge Kriminalpsychologen, Musiker und sonstige bunt gefächerte Sparten. Also alles Berufe, an die man sich mit medizinischen Fragen zuallererst wenden würde. Meinen die selbst zumindest.
Die angebliche Wissenschaftlichkeit der Skeptiker ist schlecht verbrämte reine Interessenvertretung, den offenen Diskurs der fachlichen Meinungen meinen sie nicht.
Malou33 | 06.03.2024 - 18:34
Vielen Dank für Ihre präzise formulierte Argumentation!!
Die positiven Ergebnisse in dieser aktuellen Metaanalyse von Hamre et al decken sich mit meinen seit über 30 jährigen äußerst positiven Erfahrungen mit homöopathischer Einzelmittel-Homöopathie.
Man kann nur hoffen, dass sich Bundesgesundheitsminister Lauterbach und sein wissenschaftliches Team jetzt unvoreingenommen und intensiv mit der Studienlage beschäftigen und nicht - wie bisher - die Paraphrasen des INH kritiklos übernehmen. Hierfür ist diese Arbeit von Hamre et al ein guter Einstieg.
Nutzer3294430 | 06.03.2024 - 14:02
Bezweifelt das jemand? Auch wenn die Peer-Review äußerst obskur und dünn ist? Allerdings: was hilft "Wissenschaft auf höchstem Niveau", wenn die Datengrundlagen schwach bzw. missdeutend sind?
Nutzer5105823 | 06.03.2024 - 10:31
Das Systematische Review zur Homöopathie von Hamre et al ist Wissenschaft auf höchstem Niveau und entsprechend den strengen Vorgaben der Cochrane Collaboration durchgeführt.
Nutzer3294430 | 06.03.2024 - 09:36
Eine Diskussion ist in dem vorgenannten Beitrag nicht zu finden, da hier bis auf die beiden Eingangssätze lediglich aus einer anderen, dafür aber sehr einschlägigen Quelle zitiert wird.
Richtig. Als Beispiel für die Methodik eines Systemic Review und wie mittels vorgeblichen Aufwand Relevanz erzeugt wird. Inhaltlich ist das Ergebnis weiterhin mehr als schwach, da das Ausgangsmaterial und die daraus konstruierten Ergebnisse den postulierten Befund eben nicht zulassen.
Eine schlüssige Begründung, weshalb Homöopathiepräparate weiterhin Teil von Leistungen gesetzlicher Krankenkassen bleiben sollen, ist auch hier nicht zu finden.
Nutzer5105823 | 06.03.2024 - 09:14
Vielen Dank für die differenzierte Diskussion über das Systematische Review homöopathischer Metaanalysen von Hamre et al., in der die Qualität dieses Systematischen Reviews sehr deutlich wird. In diesem Systematischen Review wurde hervorragend wissenschaftlich gearbeitet und nach den Cochrane Vorgaben recherchiert. Daher ist dieses Systematische Review eine sehr wertvolle Arbeit!