Text der Petition
Mit der Petition wird gefordert, dass Leistungsbeziehende nicht selbst ihre Vermieter wegen Mietpreisverstößen rügen müssen; stattdessen soll die Agentur für Arbeit ein zentrales Rügewesen aufbauen. Psychische Erkrankungen sollen mit derselben Ernsthaftigkeit und demselben Respekt wie körperliche Erkrankungen behandelt werden. Eine persönliche Vorsprache darf nur verlangt werden, wenn Betroffene gesundheitlich dazu in der Lage sind.
Begründung
Der Gesetzentwurf zur neuen Grundsicherung sieht vor, dass Leistungsbeziehende ihre Vermieter selbst rügen müssen, wenn ein Verstoß gegen die Mietpreisbremse vorliegt. Diese Pflicht ist für die Betroffenen realitätsfern und unverhältnismäßig. Bereits heute verzichten viele Mieter auf eine formal korrekte Rüge, weil sie die komplexen Anforderungen scheuen oder negative Reaktionen des Vermieters befürchten. Menschen in Grundsicherung, die sich häufig in belastenden oder prekären Situationen befinden, können ein solches Verfahren noch weniger bewältigen. Fehler oder unterlassene Rügen würden ihnen unmittelbar Nachteile bringen und im schlimmsten Fall den Verlust der Wohnung nach sich ziehen.
Stattdessen sollte die Agentur für Arbeit ein strukturiertes und rechtssicheres Rügewesen aufbauen. Dieser Begriff bezeichnet ein formalisiertes Verfahren, ähnlich einem Mahnwesen, bei dem eine fachkundige Stelle zentral die notwendigen Schritte übernimmt, dokumentiert und durchsetzt. Eine solche Aufgabe gehört in die Hände der Verwaltung und nicht zu den Pflichten von Einzelpersonen, die gegenüber ihrem Vermieter in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen. Die Verwaltung kann auch völlig andere Vollzugsmöglichkeiten nutzen als Einzelpersonen.
Besonders problematisch ist zudem die geplante Verpflichtung psychisch erkrankter Leistungsbeziehender, persönlich im Jobcenter zu erscheinen, um ihre Erkrankung zu „überprüfen“. Eine solche Regelung impliziert eine grundsätzliche Zweifelshaltung gegenüber psychisch Kranken und vermittelt den Eindruck, sie könnten ihre Erkrankung nur vortäuschen oder übertreiben.
Damit wird nicht nur individueller Druck erzeugt: Ein solcher behördlicher Umgang kann gesamtgesellschaftlich den Eindruck festigen, psychische Erkrankungen seien weniger ernst zu nehmen oder grundsätzlich zu hinterfragen. Dies würde bestehende Vorurteile verstärken und widerspricht dem möglichen gesellschaftlichen Konsens, psychische und körperliche Erkrankungen gleichwertig zu behandeln.
Psychische Erkrankungen sind vielfältig und können mit Angst, geringerer Belastbarkeit oder erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein. Eine pauschale Vorsprachepflicht kann den Gesundheitszustand verschlechtern und ist medizinisch wie verwaltungspraktisch nicht zu rechtfertigen. Jobcenter verfügen weder über medizinische Kompetenz noch über eine rechtliche Grundlage, psychische Erkrankungen zu beurteilen. Die Regelung dient daher nicht der fachlichen Klärung, sondern führt zu einer impliziten Misstrauenskontrolle.
Es sollte daher eine klare Härtefallregelung vorgesehen werden: Liegt eine fachärztliche Bescheinigung oder eine therapeutische Dokumentation vor, muss auf persönliche Vorsprachen verzichtet werden können.