Text der Petition
Wir fordern die vollständige Umsetzung der Istanbul Konvention in Bezug auf Artikel 59 (1) und die Rücknahme des Nichtanwendungsvorbehalts gegen Artikel 59 (2) und (3), welche Handlungsanweisungen für den Schutz von Betroffenen geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt bei eheabhängigem Aufenthalt regeln.
Wir fordern, dass von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffenen Migrant/innen mit eheabhängigem Aufenthalt ihr Recht auf Schutz u. einen eigenen Aufenthaltstitel nicht länger verwehrt wird
Begründung
Am 01.02.2018 trat das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt – die sog. Istanbul Konvention - in Deutschland in Kraft. Als umfassendes,verbindliches völkerrechtliches Regelwerk gibt es nationalen Handlungspflichten vor.
Artikel 59(1) verlangt, Maßnahmen zu treffen, damit Betroffene häuslicher Gewalt, deren Aufenthaltsstatus vom Ehepartner* abhängt bei einer Auflösung der Ehe eine eigenständige Aufenthaltsgenehmigung von begrenzter Dauer erhalten. Artikel 59 (2) verpflichtet zur Aussetzung von Ausweisungsverfahren um die Möglichkeit zu geben einen Aufenthalt aus humanitären Gründen zu erlangen; Artikel 59 (3) verlangt einen verlängerter Aufenthaltstitel aufgrund der persönlichen Lage oder bei Mitwirken an einem Strafverfahren. Gegen Artikel 59 (2)&(3) wurde ein. Nichtanwendungsvorbehalt eingelegt. Artikel 59 (3) lehnt die Bundesregierung explizit ab, da persönliche Gründe zu unkonkret seien und bei Ermittlungs- bzw. Strafverfahren grundsätzlich nur Duldungen erteilt werden.
Schutz im Sinne von 59(1) sei durch §31 Abs.2 Aufenthalts.G. geregelt, ein humanitärer Aufenthalt überflüssig. Diese Regelung zur Vermeidung unnötiger Härte bezieht sich jedoch nur auf familiären Aufenthalt, erfasst andere Aufenthaltssituationen nicht und ist höchst problematisch in der Umsetzung. Betroffene müssen Beweise der Misshandlungen in Form von Fotos oder Strafanzeigen der Ausländerbehörde erbringen. Stellungnahmen von Frauenhäusern und Fachberatungsstellen werden als nicht ausreichend abgelehnt. Der verwendete Gewaltbegriff beziegt sich nur auf häusliche Gewalt, also dokumentierte physische Misshandlungen. Psychische, sexualisierte oder wirtschaftliche Gewalt werden nicht berücksichtigt. Die Betroffenen haben meist aus Isolation, Scham und Angst vor der Abschiebung die Gewalt nicht angezeigt, denn schon die Flucht ins Frauenhaus, als Auflösung der Ehegemeinschaft, kann den Abschiebebescheid nach sich ziehen. Täter behindern Betroffene aktiv sich Hilfe zu holen, drohen mit Wegnahme der Kinder und die Ausreise ins Herkunftsland. Viele Betroffene bleiben dadurch in der Gewaltsituation - mit dramatischen Folgen.
Die Istanbul Konvention ist nur dann vollständig, wenn Frauen* ohne gesichterten Aufenthaltstitel, die geschlechtsspezifische und häusliche Gewalt erleben, ihr Recht auf Schutz gewährt wird.
Als unabhängiger Arbeitskreis von Hamburger Fachberatungsstellen und Frauenhäusern, fordern wir dadurch die Bundesregierung auf die Schutzwirksamkeit der Maßnahmen zu Artikel 59 (1) zu prüfen, und den Nichtanwendungsvorbehalt zu 59 (2) und (3) zurückzunehmen.
Die Istanbul Konvention muss vollständig umgesetzt werden!