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Diskussion zur Petition 66701

Lärmschutz

Einrichtung regionaler "Lärm-Umweltzonen" vom 12.07.2016

Diskussionszweig: Die aktuellen, normierten Messmethoden zum Fahrzeuglärm verniedlichen die tatsächliche Lärmbelastung.

Nutzer354250 | 22.08.2016 - 18:12

Die aktuellen, normierten Messmethoden zum Fahrzeuglärm verniedlichen die tatsächliche Lärmbelastung.

Anzahl der Antworten: 2

Vielleicht wird die Diskussion sachlicher, wenn man ein paar Grundlagen zu Lärmmessungen bei Fahrzeugen erklärt. Es ist bekannt, dass Lärm in Dezibel (dB) gemessen wird. Dezibel ist eine logarithmische Größe. Das bedeutet, dass sich ca. alle 10 dB die Lautstärke verdoppelt (der Schalldruck verdoppelt sich sogar alle 6 dB).

Ein Anstieg von 70 dB auf 80 dB ist also nicht eine Steigerung der Lautstärke um ca. 15%, sondern um 100%. Ein Anstieg von 70 dB auf 90 dB ist nicht eine Steigerung um ca. 30%, sondern entspricht einer Steigerung der Lautstärke um 400 % (Vervierfachung der Lautstärke). Ein Anstieg von 70 dB auf 100 dB entspricht dann einer Steigerung um 800% (Verachtfachung der Lautstärke).

Das ist z.B. ein wichtiger Aspekt bei der abzuziehenden Toleranz bei Polizeikontrollen. Es werden 5 dB vom ermittelten Messwert abgezogen. Das klingt wenig, ist in etwa so, als wenn die Polizei jemanden mit 90 km/h in der Stadt anhält, nur um anschließend 40 km/h abzuziehen. Man dürfte unbehelligt so weiterfahren.

Hinzu kommt folgendes: Für die Lärmmessung von Fahrzeugen wird nicht die Größe dB, sondern dB (A) verwendet. Der Unterschied ist, dass bei der Lärmmessung die tiefen Frequenzen rausgefiltert werden. Wenn also ein besonders tieffrequentes Fahrzeug (Gyrocopter, Harley-Motorrad) gemessen wird, dann wird schon bei der Messung ein Teil der Lärmbelästigung, nämlich die Frequenzen < 1000 Hz, zu einem großen Teil herausgefiltert. Der gemessene Lautheitswert wird also geschönt. Korrekter wäre es einen ungefilterten dB Wert zu nehmen. Das hat die Lärmlobby bislang aber zu verhindern gewusst.

Eberhard Sengpiel - ein international renommierter Tonmeister - pflegte sinngemäß zu sagen: "Ein mit der A-Bewertung ermittelter Messwert eines Motorrades muss falsch sein."

Die Lärmmessung von Straßenfahrzeugen wird in einem normierten Verfahren vorgenommen, der für alle Straßenfahrzeuge in Europa (auch in der Schweiz) verbindlich ist. Dazu fährt das Fahrzeug mit 50 km/h auf die Lärmmessstelle zu und beschleunigt mit Vollgas auf 80 km/h. Der Geschwindigkeitsbereich oberhalb 80 km/h wird in den normierten Lärmmessungen nicht erfasst, da können die Fahrzeuge dann so laut sein, wie sie wollen.

Für Motorräder gilt im normierten Verfahren seit 2016 ein Lärmgrenzwert von 78 dB (A), vorher waren es 80 dB (A). Für PKW gilt ein Lärmgrenzwert von 74 dB (A). Motorräder dürfen also 4 dB lauter als KFZ sein, aufgrund des logarithmischen Charakters des dB Werts entspricht das ungefähr einer zusätzlichen Lautheit von 40 % gegenüber einem PKW. Schon hier zeigt sich, warum gerade die Motorradgeräusche sich besonders vom normalen Verkehrslärm abheben. Es sind eben nicht nur die Motorräder mit manipulierten Auspuffanlagen („Schwarze Schafe“), die am schlechten Image des Motorrad-Lärms schuld sind.

Das normiertes Verfahren zur Lärmmessung ist nicht praxisnah. Oberhalb von 80 km/h werden überhaupt keine Lärmemissionen erfasst. Im Geschwindigkeitsbereich unterhalb 80 km/h wird bei den Lärmmessungen getrickst. Das Schweizer Fernsehen hat in einem detailliert recherchierten Bericht gezeigt, dass die Hersteller ihre Fahrzeuge auf den Lärmtest vorbereiten. Den Bericht findet man im Internet an erste Stelle, wenn man nach „Manipulierte Fahrzeugtests: Auch beim Lärm wird getrickst“ sucht.

Im Bericht wird ausführlich gezeigt, dass die Fahrzeuge bei einer minimalen Abweichung vom normierten Test (Anfahrt mit ca. 55 km/h statt 50 km/h) plötzlich zwischen 2- und 4-mal so laut wie bei Anfahrt mit 50 km/h werden. Dies entspricht im Prinzip der Schummelei beim VW-Abgasskandal, hier allerdings mit Billigung des Gesetzgebers.
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Mitbemerk | Wed Aug 31 22:27:00 CEST 2016 - Wed Aug 31 22:27:00 CEST 2016

Interessanter Vorschlag von Jo An1.
Dieser Beitrag wurde vom Moderator gekürzt, da er offensichtlich unsachlich war. Bitte beachten Sie die Richtlinie.
Die ohnehin lauten Verkehrsmittel Motorrad und Sportwagen werden durch die Soundverstärkung an ihre Umgebung fast so etwas, wie ein Ruf nach Aufmerksamkeit, vielleicht sogar Anerkennung, welche diese Mitmenschen scheinbar in ihrem gesellschaftlichen Umfeld sonst nicht ausreichend genug finden.

253 Personen finden diesen Beitrag hilfreich

Jo An1 | Tue Aug 23 10:02:52 CEST 2016 - Tue Aug 23 10:02:52 CEST 2016

So ist es leider- Prüfstandtricksereien und Auspuffklappen sind keine Lösung!

Allerdings betrifft das Thema natürlich auch PKW meist der "gehobenen" Presiklasse, die heutzutage auch gerne einem "akkustischen Tuning" unterzogen werden und damit ihre Mitmenschen "beglücken". Einstellbares Sounddesign - Dieselmotoren die wie Rennotoren klingen und anderer Unsinn - es ist einfach grotesk! Denn Sounddesign hatte AUCH den Ursprung durch Nutzung destruktivrer Interferenz Fahrzeuge leiser zu machen.
In eine ähnliche Kategorie Groteskerien gehört natürlich auch der Gehörschutz unter dem Helm.
Eigenlich gedacht, den Lärm des bei höheren Tempi vorbeijagenden Fahrtwindes zu dämpfen, pervertiert diese Maßnahme des Fahrerschutzes nun zur provokativen Aussage im Sinne einer menschenverachtenden Grundhaltung von Motorradfahrern, wenn sie in Verbindung mit überlauten Krafträdern vorgelebt wird.

Allerdings wäre es im Falle der längst überfälligen Einführung praxisrelevanter Messverfahren m.E. sinnvoll, nicht nur den reinen db-Wert zu, sondern ebenfalls ein mit der Lautstärke korreliertes Klangspektrum zu erfassen, um hier zusätzlich zur reinen Lautstärke auch Frequenzmuster zu berücksichtigen, die als besonders "nervig" empfunden werden.
Ein sog. "Screamer" 4 Zylindermotor in hohen Drehzahlen wird selbst bei gesetzkonformer Schalldämpfung oft lästiger empfunden als ein zu lauter Ein- oder Zweizylinder, der subjektiv noch toleriert würde.
Inwieweit für Fahrzeuge auch Infraschallbelastungen implementiert werden sollten, wäre zu diskutieren.

Modernes Sounddesign inspiriert mich zu folgender Bemerkung:
Wer unbedingt "Sound" benötigt, könnte sich diesen ja auch problemlos drosselklappenstellungs- und Kennlinienabhängig via Bluetooth in den Helm oder das Fahrzeuginnere projezieren lassen. Dann entfiele z.B. auch das lästige Gehörschutzstöpseltragen!!
Sogar fahrzeugspezifische Vibrationen könnten via Sitzbank und ggf. Wearebles simuliert werden.
Das wäre m.E. eine sinnvolle Technologie für Motorräder und PKW - man kann dann sogar den Sound wechseln und je nach Gusto zwischen Harley und 50er Kleinkraftrad wechseln, auch Schiffsdiesel oder Kettensägensound wären machbar ;-)). Der Vorteil, dass es lediglich im Innenraum des Helms bzw. des Fahrzeuginneren wahrgenommen werden kann schonte dann die Umwelt nachhaltig.

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